Beschreibung der Erbherrschaft
Jever um 1825
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historisch, geographisch, statistisch -
von Ludwig Kohli
Der Archivsekretär im oldenburgischen Staatsdienst Ludwig Adolf Friedrich Kohli veröffentlichte 1825 ein statistisches Handbuch über das Herzogtum Oldenburg, welches sich auf die Volkszählungen bzw. -erhebungen von 1816 und, sofern die Daten vorlagen, auch von 1821 stützt. Das Werk erschien in zwei Bänden.
Aus diesen Büchern - mit dem vollständigen Titel: 'Handbuch einer historisch-statistisch-geographischen Beschreibung des Herzogthums Oldenburg sammt der Erbherrschaft Jever, und der beiden Fürstenthümer Lübeck und Birkenfeld' - habe ich aus dem zweiten Band die zwischen den Seiten 316 und 394 der ersten Abteilung stehende Beschreibung der Erbherrschaft Jever sowie der Herrlichkeit Knyphausen von der damals gebräuchlichen Frakturschrift in eine heute übliche Schrifttype übertragen. Dieses neu entstandene digitale Dokument kann vom untenstehenden Link heruntergeladen werden.
Ludwig A. F. Kohli, geboren am 25.02.1769, entstammt einer Predigerfamilie aus dem damaligen Fürstentum Lüneburg. Nach einem Theologiestudium in Göttingen nimmt er eine Zeit lang Hauslehrertätigkeiten wahr. Verschiedene juristische Weiterbildungen beendet er mit einem juristischen Examen, welches ihm eine Stelle als Kanzleisekretär in Lübeck ermöglicht. 1815 tritt er in den Oldenburgischen Staatsdienst ein und wird als Archivsekretär 1817 Leiter des Landes- und Provinzialarchivs. Diese Stellung hat bis zu seinem Tode am 17.09.1838 inne.
Kohli gibt in seinem Werk neben den statistischen Daten über die Verwaltungseinteilungen auch geschichtliche Hinweise und Eindrücke aus seiner Zeit. In der Gliederung der Verwaltungseinheiten - von der Erbherrschaft über die Ämter Jever, Tettens und Minsen, gegliedert in die Kirchspiele und darunter noch in Bauerschaften - werden 'Ortschaften' mit Namen und Feuerstellen sowie die Anzahl der Bewohner aufgeführt. Diese Ortschaften beziehen die Wohnplätze auch von Einzelhäusern ein. Mit der Benennung dieser Wohnplätze ergibt sich ein Orts- bzw. Namensregister dieser Zeit, welches das in den von mir bisher übertragenen Schriften von Braunsdorf/Martens und Arends übertrifft. Dieses Register führt auch Namen auf, die es aufgrund der Ausdehnung der heute größeren Siedlungen und Dörfer nicht mehr gibt. Möglicherweise sind in den vergangenen fast 200 Jahren auch Umbenennungen erfolgt. Einige 'Ortschaften' (Wohnplätze) sind heute auch gar nicht mehr vorhanden (im Stadtgebiet Jever z.B. Klein Hauskreutz und Klein Kleiburg).
Die Einteilung der Jeverlandes in 'Bauerschaften' ist für mich neu. Weder Braunsdorf/Martens noch Ahrends nennen diese Begriffe (Bauerschaft: ohne -n-; 'Bauernschaft' ist eher eine soziologische Kategorie).
Laut Wikipedia ist eine Bauerschaft eine ländliche Siedlungsform, meist aus verstreut liegenden Bauernhöfen, die darüber hinaus auch einen Rechtsbezirk darstellen kann. In der revidierten Gemeindeordnung für das Herzogtum Oldenburg vom 15. April 1873 werden Bauerschaften einzig in Artikel 1, § 4 erwähnt: "Zur Erleichterung der Verwaltung können Gemeinden mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde in mehrere Bezirke (Rotten, Bauerschaften) eingeteilt werden. In den Landgemeinden bleiben die bestehenden Bauerschaften als Verwaltungsbezirke in ihrer bisherigen Begrenzung beibehalten, bis nach der vorstehenden Bestimmung eine andere Einteilung festgesetzt ist; als Realgenossenschaften sind die Bauerschaften aufgehoben." Bauerschaften im Jeverland gab es also schon vorher. Der Hinweis auf die Realgenossenschaften zeigt, dass den Bauerschaften vorher eine weitergehende Selbstverwaltung gegeben war, die sich unter anderem in der Verantwortlichkeit bei den Genossenschaftswegen äußerte.
Bauerschaften waren eine aus dem Mittelalter herrührende Selbstverwaltung gemeindlicher Verbände.Deren Aufgabe wurde in späterer Zeit zugunsten einer Verstärkung der staatlichen Macht (Absolutismus) zurückgefahren ( HAASE). In der Herrschaft Oldenburg legte man nicht die Bauerschaft oder das Dorf, sondern das Kirchspiel als Verwaltungseinheit zugrunde. Einer der Gründe dafür war, dass es konstituierte Bauerschaften nicht überall im Oldenburger Herrrschaftsgebiet gab.
Dennoch, die Stichwortsuche 'Bauerschaft' im Staatsarchiv gibt viele Hinweise. Der Aktenbestand des Amtes Jever (Best. 76-16) führt Titel wie 'Die Bauerschaftsgrenzen 1855-1856' (A Nr. 101), 'Bauerschaftsrechnung Sillenstede 1817-1848' (A Nr. 384c), 'Bauerschaftsrechnung von Schortens und Roffhausen 1817-1856' (A Nr. 385c) sowie zu Bauervögten (A Nr. 47-56). Im Aktenbestand der Stadt Jever des Staatsarchivs gibt es den Begriff Bauerschaft einmal: 'Verzeichnis der Kirchspiele, Bauerschaften und Wohnplätze im Amte Jever der Herrschafft Jever, 1815 (1925) (Best. 262- 4 Nr. 5770). All diese Quellen habe ich aber nicht eingesehen. Möglicherweise sind diese Akten für Interessenten ergiebige Quellen.
Etwa zur gleichen Zeit von Kohlis Arbeit wurde eine Karte veröffentlicht, die diese Bauerschaften ausdrücklich vermerkt. Es handelt sich um den 'Geographischen Specialatlas von Deutschland und den Nachbarländern im Maßstab 1:200.000' von D. G. Reymann', der für die preußische Armee mit einem gewaltigen Aufwand ab 1806 von Berlin aus veröffentlicht wurde. Die Erbherrschaft Jever findet sich überwiegend in Blatt Nr. 37, welches in der ersten Auflage 1822-23 erstellt worden ist. Die nördliche Küste sowie Wangerooge ist in Blatt Nr. 21 dargestellt. Beide Karten habe ich für den hier relevanten Bereich zusammengefügt. Diese Karte ist über nebenstehende Verkleinerung aufrufbar. Der Bildausschnitt ist verschiebbar.
In den erhältlichen Ausgaben sind die Karten einfarbig. Einzig die Staatsgrenzen sind farblich herausgestellt - hier gelb als Staatsgrenze zu Preußen. Zur besseren Übersicht habe ich größere Gewässer (Tiefs, Leiden, Siele, Seen) blau eingefärbt. Die Grenze der Herrlichkeit Knyphausen ist über Land rot markiert; dazwischen verläuft sie längs bzw. in Tiefs und Leiden. Besonders hervorgehoben habe ich die Bezeichnungen für die Bauerschaften in grüner Schrift. Die Bauerschaften sind jeweils mit der Abkürzung Bf. und der jeweiligen besonderen Bezeichnung angegeben. Nicht alle Bauerschaften, die Kohli aufführt, sind in der Karte angegeben. Sofern sich der Name auf eine angegebene Ortschaft selbst bezieht, wurde auf diese Herausstellung wohl meistens verzichtet (vergleiche z.B. 'Bf. Nord-' und 'Bf. Süd-' Sillenstede - aber 'Bf.Schortens', 'Bf. Moorwarfen').
Das Blatt Nr. 37 der Reymann'schen Kartensammlung ist von Heinrich Berghaus 1822 - 23 entworfen und gezeichnet worden. Die obige Karte zeigt eine 'revidierte' Fassung von 1855. Die Aktualität der Karte ist enorm. Die direkte Straßenverbindung von Jever über Asel nach Wittmund war erst 1849 fertiggestellt. Sie ist in der obigen Karte bereits eingezeichnet. In der ersten Ausgabe dieses Kartenblattes verläuft die Verbindung noch über Wiefels und Schluis.
Der aufbereitete Abschnitt über die Erbherrschaft Jever lässt sich hier ansehen
oder herunterladen:
Ludwig Kohli: Beschreibung der Erbherrschaft Jever sowie der Herrlichkeit Knyphausen (1825). (720 KB)
Der originale Druck des o.a. Werkes von Ludwig Kohli ist u.a. über die Bayerische Staatsbibliothek mit dem Münchener Digitalisierungszentrum / Digitale Bibliothek einzusehen oder als PFD-Download erhältlich:
http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10020024.html
Die Daten zu Ludwig Kohli stammen aus:
Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Herausgegeben von Hans Friedl u.a., Oldenburg 1992.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bauerschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Oldenburger_Bauerbriefe
Biographische Informationen zu D. G. Reymann finden sich bei Wikipedia. Über die Links, die dort angegeben sind, lassen sich die Kartenblätter zumindest ansehen, meistens auch hochauflösend herunterladen.
Geographischer Specialatlas von Deutschland und den Nachbarländern u.a. in
http://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/!metadata/1327499701794/1/LOG_0003
http://www.atlassen.info/kaarten/algemeen/reymann/reymann.html#summary
Für einen kurzen Weg zum → Staatsarchiv
V. Bleck, Dezember 2015