Die Sanierung des Kirchplatzes in Jever 2005 - 2008

Bildergalerie 4. Bauabschnitt April - Juni 2008

Durch die Neubesetzung der Stelle der Bodendenkmalspflege in Oldenburg wurde erreicht, dass der letzte Bauabschnitt durch 3 Archäologen begleitet werden konnte. Diese untersuchten den Bereich der neu zu trassierenden Fußwege - deren Ausbau dem einer Straße entsprach... Die Archäologen hatten mehr Zeit für ihre Untersuchungen und konnten manch interessiertem Bürgern viel erläutern. Allerdings mussten sie sich auch einigen Unmut anhören: "Schwachsinn" sei die Grabung, wiederholte mehrfach demonstrativ ein "Kulturträger" dieser Stadt; "Die Archäologen wurden uns doch aufgezwungen" murrte ein Ratsherr der christlichen Partei. In Leserbriefen der Zeitung durfte "Störung der Totenruhe durch die Archäologen" unwidersprochen durch Planer und Träger der Sanierung geäußert werden...
Aber was wäre die Alternative? Weg mit den Gebeinen auf die Mülldeponie, in den Bauschutt-Schredder?  
Aus den Augen aus dem Sinn, wo ist die Verantwortung, welch Doppelmoral...!?

Bis auf den oberen "Abraum", der meist zerstörte Grabreste  und bereits umgegrabenen Boden enthielt, wurden die Grablagen vorsichtig freigelegt. Alle Funde wurden nach Oldenburg gebracht, wo sie wissenschaftlich ausgewertet werden. Die Gebeine werden in der Anthropologie in der Universität Göttingen untersucht - das wird sich noch einige Zeit hinziehen. Der gesamte "Abraum" wurde nach Wiefels zum zukünftigen Stillacker gebracht.
Wiefels: Manch einer fragte, wohin denn der obere Boden mit den sonstigen Knochen etc. komme. Die Antwort darauf hieß lakonisch "Wiefels" (für Ortsunkundige: Synonym für unser Abfallwirtschaftszentrum) und man wartete auf eine Nachfrage, vielleicht auch Empörung?
Leider nichts davon, so korrigierten wir, was "erleichtert" zur Kenntnis genommen wurde.... 

 

Jahrhunderte hielt dieser Weg zwischen Kirche und Rathaus auch ohne Schwerlast-Unterbau. Wann dieser Weg entstand ist unklar - auf dem Belegungsplan von 1726 ist er bereits in dieser Lage eingezeichnet.
Beidseitig dieses alten Weges erhebt sich der Boden: die Gräber bis 1803.

 

Eine leere Grabkammer im Verlauf des neutrassierten Weges als "Verlängerung der Flamenstraat
Ungefähr hier stand auch der alte hölzerne Kirchturm bis 1872. Darum wurde zuerst vermutet, dass es sich um dessen Fundamente handelt. Aber es war eine Grabkammer. Sie war ohne Deckel, leer und bereits mit Erde verfüllt. Früher haben die Deckel wohl aus dem Boden geragt.

 

Unmittelbar östlich dieser Kammer (vor dem gelben Stiefel, Bild oben) mit dem Kopf nach Westen nur etwa 40 cm unter der Grasnarbe eine Bestattung in Originallage.
Das futuristische quadratische Gerät ist ein Pantograph, mit dem die Lagezeichnungen im 10fach verkleinerten Maßstab direkt an den Fundstücken abgenommen werden kann.

 

Die sorgfältigen Grabungen der beauftragten Archäologen erfolgten nur dort, wo der Weg angelegt werden sollte. Zuerst kratzte der Bagger den Oberboden weg: dabei wurden meist bereits die Schädel der Bestatteten zerstört. Erst ab dieser Tiefe begann die Archäologie mit Pinsel und Kelle...

 

Die Begrabenen lagen dicht nebeneinander. Spätere Bestattungen zerstörten oft die Lage der Gebeine. Hier nebeneinander 3 Personen auf ca. 1,5 m Breite (die linken Person ist bereits entfernt - die Lage des Schädels ist aber erkennbar

 

An der rechten Schläfe sind schwach die Reste einer grünlichen Verfärbung sichtbar.
Diese stammen von einer Kupferverbindung. Es sind wohl Reste einer Totenkrone aus feinem Draht. Teile solchen Totenkrone wurden restauriert.

 

Eine Doppelkammer im Verlauf des verschwenkten Weges zwischen Rathaus und Kirche. Durch die unterschiedlichen Mauersteine kann auf eine nachträgliche Erweiterung bzw. einen Umbau der Kammer geschlossen werden.
Die Backsteine haben die Größe, wie sie am Marstallgebäude (Amtsgericht) zu sehen sind. Sie stammen aus der Zeit um 1600.

 

Bestattet wurde in Holzsärgen, die aber bis auf wenige Spuren nicht mehr erhalten sind. Geblieben aber sind die Sargnägel und die Sarggriffe.

 

Ein einige Jahrhunderte liegender "heiler" begrabener Mensch - bis die Baggerschaufel den Schädel zertrümmerte.

 

Unterhalb des alten Weges von der Kleinen Rosmarinstraße zur Kirche: Auch hier wurden Bestattete gefunden, in weniger als 80 cm Tiefe am Rand der Sanierungsstrecke. Die linken Gebeine blieben vor Ort, da ausdrücklich nur die sowieso zerstört werdenden Gebeine entnommen wurden.

 

Die Belegungsdichte ist hoch, hier bereits gestörte Grablegen in einer Tiefe von ca. 50 cm.

 

Oder an anderer Stelle trotz nur geringer Tiefe nicht gestörte Gebeine, trotz einer dichten  Lege (gleichzeitiges Begräbnis?).

 

Die sehr schmale, aus fast klosterformatigen Backsteinen gemauerte Gruft am nördlichen Rand unter dem Weg in Höhe des Kreuzschiffes der alten Kirche.
Hierin befanden sich drei erwachsene Personen direkt übereinander, die jeweils ein kleines Kind auf dem Bauch liegen hatten.

 

Neugestaltung Jan/Feb 2024
V. Bleck