Die Sanierung des Kirchplatzes in Jever 2005 - 2008

Bildergalerie 3. Bauabschnitt Jan. - Nov. 2007

3. Bauabschnitt, 2.Teil - nach einer langen Bauunterbrechung durch Dauerregen im Frühjahr 2007. Der Abschnitt begann in der Kurve vor der Superintendentur und reichte bis zum Weinhausgang am Rathaus. Hier wurde aufgrund des kräftigen Regens und der Gewissheit, dass die Baugruben zum Altstadtfest wenigstens provisorisch wieder begehbar sein müssen, in drei schmalen Streifen die Auskofferung des Straßenbereichs hergestellt, angefangen mit den 3 bis 4 Metern unmittelbar an den Häusern.

 

Manchmal musste man schon genauer hingucken, um die vielen Reste der Begrabenen zu entdecken. Oft aber schien man absichtlich nicht hingucken zu wollen...
Auch wenn ein Regenschauer mal die Knochen  deutlich sichtbar gemacht hatte, sahen die Verantwortlichen direkt vor dem Rathaus nicht die Einzelheiten, Kleinigkeiten, sondern hatten das Ganze im Blick...

 

Nachdem der Oberboden mit all den Resten der vergangenen Jahrhunderte weggebaggert worden war, wurde in 80 cm Tiefe ein Geo-Flies ausgebreitet. Darüber wurde dann der hochverdichtbare neue Sand und Schotter eingebracht.
Da immer nur weniger Meter freigelegt wurden und diese schnell mit dem Flies wieder abgedeckt wurden, gab es immer nur kurze Zeiten zum Kartieren von Funden, hier einer schmalen Gruft.

 

Diese schmale Gruft  etwa 8 Meter entfernt von der Hauswand des kirchlichen Gemeindebüros hatte keinen Deckel mehr und war aufgefüllt worden. Darin noch Gebeine. Aus welcher Zeit stammt das Gemäuer? Man weiß, dass der Friedhof früher sehr viel größer war und auch unter den Häusern zur Großen Burgstraße Gräber vorhanden sind. Nach dem Hausbau, sicher ab etwa 1550 wird wohl wenigstens ein schmaler Weg zwischen Häusern und Friedhofsmauer verlaufen sein. Die Backsteingröße weist auf die Zeit um 1600 hin.

 

Wenige Meter vor der Tür zum Schwarzen Bären unter der Kante des bereits fertiggestellten ersten Baustreifens war vom zweiten Streifen aus der rötliche Schimmer erkennbar: Sandstein. Anhand der Sandauffüllung lässt sich die Schabung der Baggerschaufel erkennen. Von rechts nach links greift die Schaufel immer tiefer bis sie nach etwa einem Meter die Sandsteinplatte trifft und zerbricht.
Reste eines Sandsteinsarges: es ist der erste, der in der Stadt Jever gefunden wurde.

 

Bisher gefundene Sandsteinsärge des Jeverlandes stammen aus der Zeit zwischen 1000 und  1150. Sie stammen fast ausschließlich aus dem Odenwald. Da dieser nur 65 cm unter der jetzigen Bodenoberfläche lag, ist eine Verwendung für eine jüngere Bestattung wahrscheinlich. Die vom Bagger zurückgelassenen Reste der Bodenplatte wurden im strömenden Regen vorsichtig herausgenommen. Erkennbar sind Gebeine.

 

Nicht nur die oberen 80 cm des Straßenbereichs wurden aufgegraben. Gleichzeitig wurden Kanäle für Regenwasser in einer Tiefe bis zu 200 cm verlegt. Wenige Meter neben dem Weinhausgang wurde ein Kastensarg angekratzt: Der erste Baustopp wurde durch die Denkmalsbehörde verfügt. Ein Grabungstechniker aus Oldenburg wurde hinzugezogen, der Kastensarg konnte nach der Entnahme der Gebeine aber nur in Teilen geborgen werden.

 

Im weiteren Verlauf der tiefen Kanalrinne traten innerhalb des Kleiboden immer mehr hölzerne Sargteile auf: schmale gesägte Bretter und grobe Planken. Nach wenigen Baggerschaufeln wieder Baustopp. Ein Sarg aus einem Baumstamm geformt. Um einen Baustopp  zu verkürzen, legten wir noch spät am Abend den Sarg frei. Bei den Gebeinen fehlte der Schädel. Weitere Holzteile kamen zum Vorschein: schmale Bretter, unmittelbar links (unter dem Maßstab) sind die Ränder eines Kastensarges erkennbar.

 

Zwei Schädel (Pfeile) scheinen zu diesen Särgen zu gehören; aufgetrieben beim Kollaps der Särge?
Der Baumsarg waren aufgrund des umgebenden Kleibodens gut erhalten. Das Holz war weich, mit Wasser vollgesogen und schwer.
Ein Bagger der Firma Buhr half, in den Abendstunden die Gewichte zu bergen.

 

Der freigelegte Kastensarg mit den vollständigen Gebeinen und dem eingedrückten Deckel .
Erkennbar sind weitere Holzteile. Als dieser Sarg auch gehoben wurde, kam die Überraschung: plattgedrückt von diesem Sarg lag darunter ein Fass-Sarg. Zu diesem Typ gehörten die schon Meter vorher gefundenen schmalen Bretter.

 

Der "ausgebreitete" Fass-Sarg. Die Gebeine sind bereits entnommen - der Schädel fehlte; also wohl der zweite Aufgetriebene etwa 50 cm oberhalb des Kopfendes. Neben diesen Brettern wurden auch Teile der Deckel des Fasses sichergestellt. Mit einer Sonde wurden alle Fundstücke nach Metall untersucht. Alle Särge wiesen keine Nägel o.ä. auf.

 

Wie wurden die Fass-Bretter zusammengehalten? Nach der vorsichtigen Entnahme der Bretter wurden die Reste der "Fass-Reifen" sichtbar: mehrlagige gespaltene Weidenruten hielten einmal das Fass in Form.

 

Wenige Meter weiter in Höhe des Kirchturmes in 152 cm Tiefe eine feste gestampfte Kleischicht. Die schwarzen Punkte sind Holzkohle, die hellen Mörtelspuren. Das weist darauf hin, dass hier einmal die Bodenoberfläche bestand, die dann (nach einem Stadtbrand?) weiter aufgehöht wurde
(Die ursprüngliche  natürliche Bodenoberfläche liegt über 5 Meter tiefer als die heutige Bodenoberfläche. Der überwiegende Teil wurde bereits vor den dreizehnten Jahrhundert aufgefüllt).

 

Das Alltagsbild der Baustelle : zusammengekratzter Boden mit Bauschutt von ehemaliger Pflasterung, Backsteinen der Grabkammern, Kabelresten , Gebeinen...

 

So sehen Teile des Untergrundes heute aus: ein Durcheinander von neuen und alten Leitungen, Leer-Rohren, Warnbändern, Schnittresten und Füllsand zwischen altem Friedhofsboden.

 

Findlinge aus dem Bereich vor dem Rathaus.

 

Neben dem Regenwasserkanal wurde auch ein Schmutzwasserkanal eingebaut. Noch ein Tiefgang in die Friedhofserde, aber wofür? Denn bis heute wurden die Schmutzwassereinläufe für die Festivitäten auf dem Kirchplatz nicht genutzt: Das Fisch- und anderes Abwasser des Wochenmarktes kommt immer noch in die Straßenrinne - auch bei beiden Altstadfesten waren die Einläufe verschlossen.

 

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V. Bleck