wässrige Verhältnisse
Der
Blick über die "Schlossmauer" in Höhe des Amtsgerichts zeigt die
Schlossgraft etwa drei Meter unterhalb des heutigen
Straßenniveaus. Ein schmales Rinsaal, welches zusammen mit den
einzelnen Stadtgraften Rest einer großen Verteidigungsanlage mit
Wassergräben, Wällen, Zugbrücken und Mauern ist. Diese alte Stadt- und
Schlossbefestigung existierte bis in die ersten beiden
Jahrzehnte des
neunzehnten Jahrhunderts. Entwicklungen
von Distanz-Waffen hatte
diese mittelalterliche Verteidigungstechnik überflüssig gemacht. Die gewaltige Zunahme der
Wirtschaft
benötigte dagegen Flächen
für Markt
und Handel. So wurden schon früh die Gräben im Bereich des heutigen
Alten Marktes zugeschüttet. Ein Blick auf den Stadtplan von 1768 zeigt,
welch große Flächen einmal von den Gräben, den Ravelins (inselartigen
Außenwerken vor dem Burgwall) und Bastionen im Bereich des Schlosstores
mit der doppelten Zugbrücke eingenommen wurden. Dieser Plan
diente
auch als Grundlage für das Stadtmodell, welches im Schloss zu
besichtigen ist. Allerdings ist für diesen Plan nicht verbürgt, ob es
sich um Planungen oder den Realbestand handelt. Ein Plan von 1815 zeigt
nur noch einen der Ravelins. Auch der Umriss des Burgwalles weist
andere Formen auf; anstelle der zackigen Bastionen finden sich
gerundete
Anlagen oder sie existieren gar nicht mehr. Nur die "Alte
Stadt Bastion oder Rondel" gegenüber der Großen Burgstraße hat die
runde Form schon vorher gehabt. Diese Bastion ist auf dem Gemälde von
Barnutz zum Auszug der Franzosen im Jahre 1813 gut zu erkennen. Sollten
tatsächlich in der Zeit der absehbaren Nutzlosigkeit der
wassergrabengestützten Verteidigung zwischen 1768 und 1813 noch solche
Umbauten erfolgt sein? *)
Ein Blick noch zurück in die älteren Pläne: Das Schloss war seinerzeit eine Wasserburg. Bei genauer Betrachtung des Planes von 1768 sehen wir südlich des Schlosses eine gestrichelte Doppellinie, die laut Erklärung eine "Wasserleitung aus dem innern in den äußern Schloß Graben" ist. Diese Leitung ist der heute im Schlosspark sichtbare Gang, mit dem die Sagen um Marias Verschwinden verbunden werden. Allerdings musste seinerzeit dieser Graben mit Wasser gefüllt sein, damit überhaupt eine Wasserburg entstehen konnte. In dem Plan von 1815 findet sich der innere Schlossgraben wieder - allerdings als "Trokner Graben". Einen Hinweis auf den Verbindungsgang finden wir hier nicht. Die Schlussfolgerung aber daraus ist, dass der Wasserstand zu Zeiten der aktiven Verteidigungsanlage um mindestens zwei Meter höher gewesen sein muss.
Grundwasser und Regen sind ergiebige Quellen. Ob sie ausreichten, die Graften zu füllen, ob es zusätzliche Zuflüsse gab, entzieht sich (bisher) meinen Kenntnissen. Um Überschwemmungen zu vermeiden musste aber auch ein Abfluss gewährleistet sein. Da alle Graften untereinander in Verbindung standen, konnte dieser Abfluss an mehreren Stellen erfolgen. Im Südwesten in Höhe des heutigen Schlosserplatzes konnte es der Hilkenschloot sein, zweckmäßig anhand der Höhenlagen aber bietet sich
der
Bereich der Blankgraft an, da sich hier
in
Richtung Alter Markt erhebliches Gefälle und Entwässerung Richtung
Hookstief anbietet. Die bisher erwähnten Pläne zeigen dazu leider weder
Zu- noch
Abläufe. Auf dem Dunkerschen Plan von 1815 aber finden wir - die
Verbindung des Schlossgrabens zur heutigen Prinzengraft ist
bereits verschlossen und die
Zugbrücken sind mittlerweile abgebaut und durch dauerhafte Wege bzw.
Brücken
ersetzt - am ehemaligen Burgtor zu Beginn der Blankgraft
deutlich eingetragen einen "Canal" mit
einem Pfeil, der möglicherweise
die Richtung des abfließenden Wassers angibt.
Wie
wird heute die
Schlossgraft entwässert?
Als seinerzeit Teile der Schlossgraft für den neuen Zugang
zum Schlosshof zugeschüttet wurden, wurde durch einen
begehbaren Gang
eine Verbindung zwischen den beiden Enden belassen. Einer dieser
Eingänge ist in Höhe der Kriegerehrenmale zu erkennen. Das andere Ende
des Ganges ist bei
dem Erweiterungsbau der
Volksbank um 1981 durch weiteres
Zuschütten der Schlossgraft und durch Fortführung in einem kleinen Betonrohr
nicht mehr vorhanden. Von
diesem Gang zweigt ein
weiterer Gang in Richtung
des Adolf-Ahlershauses ab. Sein Ende in Höhe
des Fäulein-Marien-Denkmals mündete, wie
oben beschrieben
in
die
Blankgraft. Hier endet der mit Klinkern in Doppelschale gemauerte
Gewölbegang mit einem Schlussstein, der die Jahreszahl 1817 trägt. Bei
der Erweiterung des Marktplatzes mit der Verkleinerung der Blankgraft
später - etwa um die Zeit 1890 (?); der Katasterplan von 1929
zeigt noch die Graftenparzelle bis an die Schlossstraße reichend -
wurde vor
diesen Gang
ein Schacht gesetzt,
der einen
Zugang ermöglicht. Ein
höhengleicher Abfluss von den heutigen Blankgraften mittels eines
kleineren Gewölbes aus Backsteinen in den Maßen 50 x 70 cm mündet in
diesen Schacht. Von hier aus fließt überschüssiges Wasser über ein
Betonrohr in
Richtung Alter Markt. Die Höhe dieses Abflusses reguliert den heutigen
Wasserstand sowohl der Schlossgraft wie auch der Blankgraft neben dem
Ahlershaus.
Zu früheren Zeiten ist nahe dieses Schachtes das überschüssige Wasser sicherlich auch in Richtung Marktplatz abgeführt worden. Im November 1988 bei der Neugestaltung des Alten Marktes wurden die Reste eines gemauerten Kanals beseitigt, der quer von dem heutigen Geschäft Spielwelt bis zur Ecke des LzO-Gebäudes an der Kaakstraße verlief. Dieses waren mit großer Wahrscheinlichkeit jener Kanal; Mauersteine und Bauweise sprechen dafür. Das Foto vom November 1988 lässt gerade noch das LzO-Gebäude erkennen. Da war der Kanal schon lange nicht mehr in Betrieb - die starke Versandung zeigt das. Die Fundamentarbeiten des Sparkassengebäudes 1975 sowie des Neubaues von "Spille" 1984 werden auf diesen sehr nah an der Oberfläche verlaufenen Kanal keine Rücksicht genommen haben. Denkmalschutz gilt halt nur für die Oberfläche.
Zurück zum noch heute
vorhandenen Gang.
Das gemauerte Gewölbe ist keinem
guten Zustand. Einzelne Teile der inneren Wandung sind bereits
herausgebrochen. Aus Spalten und Fugen tropft
es, aber aufgrund der
Tiefe im Boden kann Frost keine weitere Zerstörungen anrichten. Es ist
ein idealer Überwinterungsort für Fledermäuse, die über ein in
das
Gitter eingefügtes Flugloch von der Schlossgraft her Zugang
haben. Einmal jährlich kommen Fledermausspezialisten aus
Osnabrück und machen eine Bestandsaufnahme. Winterquartiere für
Fledermäuse sind hier im flachen Land ohne natürliche Höhlen nicht
gerade reichlich vorhanden.
Der Gewölbegang unter der Schlossstraße erweitert sich zwischendurch auf wenigen Metern plötzlich zu einer größeren Halle. Auffällig ist die Verwendung von Findlingsquadern am Sockel; das Mauerwerk an den Seiten setzt sich in Backsteingröße und Vermauerung von dem Gewölbebogen ab. An den Stirnseiten der Halle erscheint das Mauerwerk nachträglich eingefügt. Der naheliegende Schluss ist, dass der Sockel dieser Halle ein älteres Bauwerk ist. Hier können wir die Zeichnungen von Dunker wieder zu Rate ziehen. Der hatte wie schon erwähnt, an der Stelle der Zugbrücke des Burgtores einen "Canal" eingezeichnet. Dieses spricht für einen übermauerten Bereich. Anstelle der Klappbrücke war eine feste Überfahrt entstanden. Ob dieser "Canal" mit der im Gang erweiterten Halle übereinstimmt, lässt sich durch Projektion des alten Planes in die heutigen Vermessung überprüfen. Das Ergebnis überzeugt: Die "Halle" ist Teil des alten Burgtorgrabens und des Burgtores. Beim Bau der Verbindungsgänge und des Abflusses der Schlossgraft in der Zeit 1817 wurde der bereits als "Canal" hergestellte Teil des alten Burgtores einbezogen. Die Gewölbedecke der "Halle" stammt damit möglicherweise schon aus der Zeit zu Beginn der Entfestung weit vor 1815, die Längsseiten mit den Findlingen aus älteren Zeiten, als hier noch eine Zugbrücke vorhanden war.
Der Schein der stillen
Wasserfläche
täuscht. Unterhalb der Wasserlinie haben Ausspülungen
bereits einige Steinquader gelöst, den Ausbruch von Backsteinen
zeigt
bereits ein obiges Bild. Die Gänge sind mit einer 30 bis 40 cm
dicken Schlammschicht gefüllt. Reparaturarbeiten bei hüfthohem
Wasserstand sind nicht möglich. Es besteht Handlungsbedarf und es wird
viel
kosten.
Oder:
Alles wäre viel einfacher und in jedem Falle billiger, die Entwässerung
der Schlossgraft durch ein modernes Kunstoffrohr zu gewährleisten und
die alten Gemäuer zusammenzustürzen und aufzufüllen. Vermarkten lassen
sich diese Teile der Geschicht ja auch nicht. Da haben ja noch erst die
Fledermäuse Vorrechte...
Wollen wir das in der "Stadt der Kultur und Geschichte"?
Bl März 2012*) Ergänzung Juni 2014, da erst jetzt entdeckt:
Fridrich
Arends (siehe eigenen Artikel links im Inhaltsverzeichnis) schreibt
1819 in der Beschreibung der Stadt Jever S. 212 (Originalausgabe): „Im
Jahre 1768 kam man auf den seltsamen Einfall Jever zur Festung zu
machen, zu welchem Ende viele Arbeiten unternommen wurden, die
größtentheils bis zum letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts
bestehen blieben, da sie wieder nach und nach geschleift wurden."