Spuren in
Backsteinen
Eingebrannte Zeugnisse
Beim
Umbau meines kleinen, etwa 80 Jahre alten Gulfhauses wurden innen
einige Wände eingerissen. Das erzeugte viel Bauschutt von Backsteinen.
Da
ich möglichst viele
der älteren Steine weiterverwenden wollte,
mussten diese vom Mörtel befreit werden. Bei diesem Mörtelpicken auf
sehr unterschiedlichen Formaten entdeckte ich hin und wieder auf den
Breitseiten der Steine Spuren. Da waren Katzen- und
Hundepfotenabdrücke, Fingerkuppen oder andere undeutliche Zeichen durch
den Brand der Steine erhalten worden. Solche Steine habe ich dann zur
Seite
gelegt und
bewahrt.
Angesteckt vom Finden weiterer
Spuren in Backsteinen, drehe ich auch heute noch viele Steine um. Und
es lohnt sich, wenn diese aus der Zeit der Handarbeit stammen und als
frische Lehmquader („Grünlinge") auf Trockenböden oder
-gestellen von Tieren zugänglich waren.
Auch die
Menschen haben Spuren hinterlassen: Zum Abschluss des Tages hat sich
einer vielleicht „verewigt" - so wie wir heute absichtlich
Spuren hinterlassen. Aber Ziegelstreichen war in der Regel
Akkordarbeit; da blieb kaum Zeit für solche Späße.
Nicht nur
das Erzeugen von Spuren auf den Backsteinen war, auch das Entdecken
dieser Spuren heute ist daher in erster Linie Zufall. Um so
"wertvoller" werden daher diese Funde.
Zu solchen
Spuren in Backsteinen habe ich erstaunlicherweise kaum Literatur
gefunden. Es wird auf "Feierabendziegel" hingewiesen (www.wikipedia.de;
Stichwort Backstein) oder auf "Archäozoologie" (Archäologie in Berlin
und Brandenburg 2006). Auch Fachleute der "Backsteingotik" wussten zwar
dies und das vom Hörensagen, aber nichts genaues... Im
Internet findet man auch einzelne Bilder von solchen Backsteinen.
Backsteine
haben jeweils ihre Geschichte. Das Alter lässt sich einigermaßen durch
die Größe abschätzen. Die ersten Backsteine hatten das
sogenannte Klosterformat von ca. 29 x 14 x 9,5 cm³. Sie können für den
hiesigen Raum aus der Zeit des 13. - 15. Jahrhunderts angenommen
werden. Spätere Formate wurden kleiner, wie z.B. die Backsteine des
1611 gebauten Marstalls in Jever mit den Maßen 26-27,5 x 14-14,5 x 7,5
cm³. Später erzeugte Backsteine wurden immer kleiner bis zu der heute
gebräuchlichen Größe von 21,5 x 10 x 5 cm³.
Spuren in alten
Steinen sind daher noch "wertvoller".
Einige
Klinker
mit deutlichen und schönen Katzenpfotenabdrücke habe ich bei mir
sichtbar in Garagenwand und Fußboden eingemauert. Klinker!
Auch bei den hochgebrannten blauen Straßenklinkern sind solche Spuren
zu finden.
Ältere Backsteine aber sind meist "weichgebrannte",
rote Steine, die bereits mehrfach weiterverwendet wurden und Risse und
Brüche aufweisen.
Meine Funde von Tierspuren befinden sich
daher meist auf Bruchstücken.
Eine Palette mit
Backsteinen des Marstall-Formates wurde auf einem städtischen
Grundstück abgestellt und vergessen. Die Palette verrottete und der
Stapel Steine fiel bei Arbeiten auseinander. Gerade vor meine Füße fiel
der Stein mit einem Handabdruck.
Neugierig auf diesen
Steinhaufen geworden, habe ich die übrigen Backsteine durchgeguckt.
Viele Steine waren bereits durch Frost zerbröselt. Einige Funde gab es:
Große Pfotenabdrücke von Hunden, auch Reh-, Schaf- oder Ziegenspuren.
Sie geben einen kleinen Einblick in das Leben an solch einem
Arbeitsplatz.
Woher kamen diese Backsteine? Es gibt
Anhaltspunkte, dass diese aus den Resten des Drostenhauses stammten.
Das Drostenhaus wurde 1975 bei der Altstadtsanierung abgerissen. Das
Haus wurde zwar in den vergangenen 300 Jahren vielfach umgebaut, im
Kern aber kann es bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen.
Auch
auf Klosterformatsteinen, die aus den zerstörten Grabkammern der
Kirchplatzsanierung von 2008 stammen, konnte ich Tierspuren
feststellen. Diese Steine sind meist auffällig schwer - ein
Hinweis auf darauf, das die Grünlinge bereits sehr fest gestampft und
gestrichen wurden. Die Chancen auf Abdrücke wurden dadurch geringer.
Dennoch,
ein Stein muss sehr weich gewesen, als ein Hund seinen sehr tiefen
Pfotenabdruck in diesem Klosterformatstein hinterließ - vielleicht mein
ältestes Fundstück.
Es
gibt auch
Backsteine, auf die
geschrieben wurde. Das Bruchstück eines Zwischenformates von 12 cm
Breite und 5,5 cm Dicke aus meinem Haus zeigt eine deutliche
Ritzung. Man könnte die Zahl 1630 deuten. Das
Produktionsjahr? Aber für ein solches Alter ist der Stein zu „modern".
Oder ist das erste Zeichen gar keine Zahl?
Zumindest in
Mitteldeutschland war es zu früheren Zeiten üblich, dass das Tagwerk
mit der Menge der erstellten Backsteine auf den letzten Stein
geschrieben wurde. 600 bis 800 Backsteine war so eine Tagesleistung.
Bisher
nicht gefunden habe ich im Jeverland ein Ziegelzeichen. Dieses ist ein
kleiner
Stempelabdruck der herstellenden Ziegelei. Ziegelzeichen findet man bei
den
Bauten der Backsteingotik der Ostseestädte häufiger.
Neugierig
geworden? Es gibt viele Backsteine, die weggeworfen werden - viel zu
viele.
(Dieser
Text wurde in dem Historienkalender auf das Jahr 2009 -
erschienen im Sommer 2008 - bereits veröffentlicht.
Er
wird
hier
durch weitere Aufnahmen ergänzt).
V. Bleck