Ein Stadtplan von Jever. Auf vergilbtem Papier, aber eigentlich nicht historisch. Keine Angabe über das Erscheinungsdatum. Vielleicht 40 Jahre alt? Eigentlich nichts Besonderes, denn der Verlag, der diesen Stadtplan herausgab, existiert noch und gibt solch einen Stadtplan heute immer noch heraus. Aktuell in der 18. Auflage - und immer noch nicht mit der Angabe des Erscheinungsdatums. Aber diese neuesten Stadtpläne sind genau. Das kann ich behaupten, denn ich arbeite dem Verlag, dem Städte-Verlag, seit mehreren jüngeren Auflagen von Dienstes wegen zu. Aktualität und Genauigkeit sind mein Anspruch. Damit ist der Plan u.a. "nach amtlichen Unterlagen" erstellt. Er ist im Buchhandel und anderswo zu kaufen.
Um so interessanter ist ein Vergleich der vergilbten Ausgabe mit dem aktuellen Stand. Rein äußerlich zeigt sich eine Gemeinsamkeit wie die Innenstadtvergrößerung im Maßstab 1:5000. Auch das Design - Signaturen von Straßen, Bebauung und Grünflächen - ist sehr ähnlich geblieben. Gemeinsam ist auch, dass die Rückseite des Planes ungenutzt ist. Die auffälligsten Unterschiede gegenüber der älteren Ausführung sind die den Plan einrahmende Werbung und damit die Ausmaße des Papieres ( alt: 45 x 70 cm, neu: 78 x 99 cm). Diese Größe findet aber auch ihren Grund darin, dass das Stadtgebiet von Jever mittlerweile größer geworden ist. Seit 1972 gehört die ehemalige Landgemeinde Cleverns-Sandel mit zu der Stadt. Damit hat sich das Stadtgebiet fast genau verdoppelt (Gemarkung Sandel: 10,5 km², Gemarkung Cleverns: 10,9 km², Gemarkung Jever: 20,7 km²). Das Straßenregister zeigt für früher 155 Namen und 86 andere Hinweise auf Institutionen, der neueste Plan führt 384 Straßennamen und Wohnplätze auf, zusätzlich 86 Institutionen. Der Maßstab der älteren Karte beträgt 1:12500, der der letzten Ausgabe 1:15000. Wenn die Werbung fehlen würde, wäre der Plan handlicher, aber sicherlich nicht so preiswert.
Apropos Werbung: so ganz werbungsfrei ist die alte Ausgabe doch nicht. In der Wittmunder Straße findet sich das runde VW-Symbol, das auf die dort vorhandene Fachwerkstatt Schütz hinweist (heute Tankstelle Henn und Textil-Kik). Die verschiedenen Geldinstitute (Raiffeisen-Bank, Landessparkasse, Deutsche Bank, Oldenburgische Landesbank) sowie die AOK, ein Notariat und ein Reisebüro sind in der Signatur den behördlichen Gebäuden gleichgestellt. Das macht man heute nicht mehr.
Erst bei genauer Betrachtung fällt auf, dass das Stadtgebiet doch nicht so ganz der heutigen Gemarkung Jever entspricht. Der Gebietszipfel, in dem sich heute die Hofstellen Kattens und Sorgenfrei befinden - bis hin zu den beiden neuen Windkraftanlagen nahe des Crildumer Tiefs - war noch Teil der Gemeinde Waddewarden (0,6 km²). Dieser Teil wurde durch einen Grenzänderungsvertrag zwischen den Gemeinden Jever und Waddewarden ab dem 1. Januar 1971 Stadtgebiet. Der Außenbereich, die freie Landschaft mit dem Marschen- und Moorgrünland bzw. Äckern, ist nur sehr spärlich dargestellt. Eine Differenzierung, wie es heute bei einer "Freizeitkarte" mit "Freizeit-Tipps" erwartet wird, spielte damals wohl keine Rolle. Einzig die großen Wälder wie der Upjever Forst und Moorhauser Wald sind im Außenbereich an Kartenrand angedeutet. Ansonsten besteht der Außenbereich aus den Tiefs und größeren Gräben sowie Straßen und Wegen zu einzelnen Gehöften. Diese Wege sind aber aber nur selten mit Namen versehen.
Betrachten wir den Siedlungsbereich, so ist interessant, welche Baugebiete insbesondere des Stadtrandes gegenüber heute noch gar nicht vorhanden waren. Nördlich des Hookstiefes und östlich des Kleinen Moorwarfer Tiefs auf dem weichen Kleiboden sowie Richtung Moorland auf dem Torf befindet sich noch keine Bebauung, der Ochsenhammsweg endet noch inmitten von Wiesen: Die naturräumlichen Grenzen wurden bei der Bebauung weitgehend noch eingehalten. Einzig die Kläranlage am Tettenser Tief ist schon aufgeführt, noch ohne zuführende Straße. Beide Bauten wurde erst im Laufe des Jahres 1969 begonnen. Rahrdum - hier gehörte nur der östlich der Rahrdumer Straße befindliche Teil zur Stadt Jever - war noch eine Streusiedlung an wenigen Wegen. Moorwarfen allerdings passt mit seinen bebauten Bereichen so gar nicht in in das heute bekannte Bild. Doch dazu später.
Im Innenbereich der alten Kernstadt Jever können wir die Standorte einiger Institutionen an völlig anderen Orten als heute feststellen: Die Wasser- und Bodenverbände befinden sich im Hause Elisabethufer 9 - heute ein Hotel. Die Polizei hat ihre Station im Karl-Jaspers-Haus, welches am Schlosserplatz heute Ärztehaus ist. Die Landessparkasse residiert in der Albanistraße mit einer Zweigstelle an der Bahnhofsstraße gegenüber der Einmündung Dannhalmsweg. Die Raiffeisenbank hat neben dem heutigen Standort am Schloss (Volksbank) noch eine Nebenstelle in der Störtebeker Straße (heute BBS). Die Deutsche Bank ist alleiniger Platzhirsch am Alten Markt ("Erb" - heute befindet sich dort nur noch ein Bankautomat). Das Gesundheitsamt ist Teil des Kreishauses, das Finanzamt findet sich im heutigen Hof zu Oldenburg. Die landwirtschaftliche Halle am Ochsenhammsweg steht noch (abgebrannt September 1988), die Mooshütte ist mit Eigennamen angegeben. Die Katholische Schule befindet sich an der Anton-Günther-Straße, an der Ecke Bismarckstraße Mooshütter Weg ist das Jugendheim und die Jugendherberge (ehemalige Bleekerschule).
Erst bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass einige Straßenzüge anders verlaufen als heute, vielleicht auch nie so verwirklicht worden sind. Denn fast nur mit Lupe zu erkennen ist, dass einige Signaturen gestrichelt dargestellt worden sind - eine Methode, die über in Planung bzw. im Bau befindliche Infrastruktur Nachricht geben soll. Mit solchen Visionen wurde in diesem Stadtplan nicht gespart. Übrigens wird das auch heute noch so gemacht - eigentlich überflüsssig, da die Neuauflagen in immer kürzere Zeitabständen erfolgen. Aber offensichtlich gehört dieses zur "Stadtwerbung" dazu. So finden sich auch in den aktuellen Auflagen der letzten 10 Jahren solche geplanten Bereiche im Stadtbereich Jever: Das Neubauviertel Gleisdreieck (Normannenviertel) ist bisher nur zu einem Drittel bebaut, die übrige Planung einschließlich der dortigen Straßennamen ist aber seit mehreren Auflagen eingezeichnet. Ähnliches gilt auch für die Erweiterung im nördlichen Bereich von Moorwarfen. Die Verwaltungsspitze damals wollte das so. Dieses zeige "die Dynamik einer sich entwickelnden Stadt".
Da finden wir in der alten Ausgabe den westlichen Teil des Dannhalmsweges in Planung (verwirklicht), eine Anbindung der Stettiner Straße beim Buskohl an die Schützenhofstraße sowie einen Straßenzug zwischen der Stettiner Straße und der Schützenhofstraße (beides nicht verwirklicht). Die Verbindung zwischen der Kiebitzstraße und der Berliner Straße wurde nie verwirklicht, ebenso nicht die Anbindung der Berliner Straße an die Schützenhofstraße. Die heutige Katharinenstraße ist angedeutet (verwirklicht), die Verbindung zwischen dem Grashausweg und dem Mühlenweg ebenso (heute Alexanderstraße, aber mit Sperrung in der Mitte verwirklicht), eine Siedlung auf der Wiese zwischen Augustenstraße und Kleinem Moorwarfer Tief existiert bis heute nicht. Die Straße der heutigen Theodor-Eilers-Straße wurde verwirklicht - wenn auch erst 1990. Der gesamte jetzige Straßenzug Siabbenmoor zwischen der Schützenhofstraße und dem Bahnhofsweg ist in Planung, genauso die heutige Wittenberger Straße (beide verwirklicht). Nicht einmal als Planung sondern "als Fakt" eingetragen ist eine Straße zwischen dem Oestringer Weg und dem Friesenweg, welche nie entstand - einzig der kurze Butjadinger Weg könnte Teil dieser Absicht sein. Nicht angedeutet ist die Verbindung zwischen dem Grashausweg und der Kaakstraße (heute auch Kostverloren, erst 1984 verwirklicht). Stattdessen gewinnt man den Eindruck, dass eine östlich der Mühlenstraße verlaufende Parallele über die Augustenstraße und die Siedlung Herrengarten nach Norden an den Grashausweg die damalige Bundesstraße entlasten soll. Der Bereich der heutigen Leipziger Straße wurde anders geplant. So wie heute sich die Straßenschleife der Jenaerstraße ohne die Sackgasse darstellt, sollten weitere zwei Schleifen nördlich davon gebaut werden: es ist anders gekommen.
Den Namen Leipziger Straße gibt
es im Plan noch nicht. Statt dessen wird sowohl die
Verlängerung der Anton-Reling-Straße wie auch die der Berliner Straße
ab den Einmündungen der Memeler Straße als Auf dem Hochhamm bezeichnet.
Laut Friedrich Orth wurde der heutige Name 1969 vergeben.
Auch zu
anderen Straßennamen auf dem Plan gibt es einiges zu sagen: Der heutige
Moorweg wird im
Plan als Siabbenmoor bezeichnet. Der Weg endet blind im
Moorland. Der Weinhausgang wird als Weinhausstraße geführt.
Der Padd zwischen der Prinzenallee und dem Kreishaus heißt
hier
Landrat-Johann-Albers-Weg. Laut Friedrich Orth wurde dieser Name 1968
beschlossen. Auf den Schildern wurde das Wort
Landrat allerdings
weggelassen. Das könnte man heute korrigieren. Die kleine Bahnhofstraße
führt bis vor den Bahnhof (heute Teil der Schlosserstraße). Die
Erschließung der Hinterhöfe von Schlacht- und Kaakstraße sowie Neuer
Straße erfolgt über den Grünen Weg. Im Zuge des Zusammenschlusses mit
der Gemeinde Cleverns-Sandel 1972
wurde dieser Name in Grüner Garten
umgewandelt, da es bereits in Cleverns eine Straße gleichen Namens gibt.
Aus gleichem Grunde wurde der Birkenweg in Moorwarfen in den heutigen
Erlenweg umbenannt. Ganz kurios aber ist ein Straßenname: der heutige
Stadlander Weg entstand laut Friedrich Orth 1977. In dem hier
betrachteten Stadtplan aber existiert er bereits und führt den Namen
Schrägstraße. Das ist angesichts des sonst überwiegend im Ost-West
sowie Nord-Süd verlaufenden Raster des Südergastviertels verständlich -
dennoch ist mir bisher dieser Name noch nie an anderer Stelle
untergekommen (siehe Straßen
ändern ihre Namen).
Eine
besondere
Beachtung in dem Stadtplan muss der Bereich Moorwarfen-Siebetshaus
finden. Hier treibt die Planungsfantasie Blüten. In großen Schleifen
verlaufen Schwalbenweg und Lerchenweg und verbinden die heute als
Sackgassen verwirklichten kleinen Straßen wie Finken- und Amselweg. Heute
beginnt der
Starenweg als kurze Sackgasse unmittelbar
neben der Bundesstraße statt des
Schwalbenweges. Aber: Mit den heutigen
Ausbauten könnte der geplante große Wurf weitgehend doch noch umgesetzt
werden.
Gegenüber einer Wohnbauverdichtung bis unmittelbar an die Eisenbahn
erfolgte in jüngster Zeit mit dem Baugebiet Kleiberring eine
Ausweitung der
Wohnbebauung nach Norden - heute ist bei Wohnbebauung ein Abstand zu
Gleisen aus Gründen des Lärmschutzes erforderlich.
Südlich der
Bahn hat man Häuser am Moorwarfer Gastweg, am Drosselweg und einigen
weiteren geplanten Straßen eingezeichnet, die es nie gegeben hat. In
den zusätzlich projektierten Straßenzügen nördlich
der Jeverschen Straße von Schortens sowie nördlich des
Drosselweg hat man auf diese stereotypen Häuserreihen verzichtet.
Diese
"Planung"
greift sehr weit in die Zukunft. Heute, über 40 Jahre später, ist solch
ein Zuwachs an Baugelände hier unwahrscheinlich. Die
Stadtplanung hat sich anders entschieden: die Baugebiete am Woltersberg
und Siabbenmoor, die Verdichtung auf beiden Seiten der Rahrdumer
Straße, Voßland sowie die Bereiche Vieth- und Karl-Peters-Straße wurden
in den nächsten Jahren seit Erscheinen dieses Stadtplanes vorgezogen.
Seit
1990 kommen die Baugebiete Normannenviertel, Klein Grashaus,
Georg-von-der-Vring-Straße dazu sowie eine Verdichtung besonders im
Bereich der Südergast. Stadtkernnahe Wohnungen, kurze Wege sowie
weniger
Landschaftsverbrauch sind heute angesagt. Moorwarfen muss noch warten -
siehe die "Planung" in der 18. Stadtplanauflage.
Verwunderlich
für mich an dieser Darstellung aber ist, dass ich solche Planungen
bisher nirgendwo in anderen Entwürfen der Kartenschränke der Stadt
gesehen habe. Da ist dann die Aussage "Herausgegeben nach amtlichen
Unterlagen" zu hinterfragen. Solche Phantasien können nicht dem
Kartenverlag zugeschrieben werden und auch nicht einem Katasteramt. Die
können eigentlich nur durch "Korrektur"
im Rathaus auf den zur Überprüfung
vom Verlag zugesandten Vorabzügen entstanden
sein. Und neben den Phantasien dürften sich auch einige andere
sachliche Fehler eingeschlichen haben.
Weitere "Fundstücke": Der
Stadtplan weist in dem Bereich hinter der OLB, dort wo sich heute der
dazugehörige Parkplatz befindet, ein geplantes Hallenbad aus. Von der
Seetzenstraße verlängert nach Norden führt über die Melkenklampe 1
(siehe dazu Orth, Müller-Schlombs, Trumpf. Jever so alt und so neu. S.
87) ein Weg bis über die Gemeindegrenze hinweg.
Hier handelt es sich
um einen schmalen Steinpadd, der sich in weiten Teilen bis hin zum
Crildumer Tief noch heute unter der Grasnarbe befindet, aber im Bereich
der neuen B210 sowie in einigen Abschnitten im Gewerbegebiet Am
Hillernsen Hamm beseitigt wurde. Dieser Fuß- und Radweg verband die
nördlich der Stadt liegenden einsamen Gehöfte wie Fischershäuser, Groß
und Klein Hauskreuz sowie Klein Sorgenfrei, welches im Plan noch mit
der Flurbezeichnung Überm Hamm bezeichnet wird.
Ganz
unauffällig am Kartenrand in Höhe von Vereinigung befindet sich an der
Bahnlinie die Erläuterung "von Norden und Wittmund". Damals gab es
diese Verbindung per Eisenbahn noch. Die heute noch am Bahnhofsgebäude zu findende Kilometerangabe "80 km nach
Norden" sowie die Angaben auf den
Kilometersteinen
Richtung Westen an den Gleisen zeugen auch heute von der ehemals durchgehenden
Verbindung.
Stadtplan Jever,
Städteverlag, E.v. Wagner & J. Mitterhuber GmbH in Felbach. Den
aktuellen Plan kann man unter www.unser-stadtplan.de
einsehen.
Friedrich Orth: Die Straßen der
Stadt Jever.
1985
Friedrich
Orth, Barbara Müller-Schlombs, Wolfgang Trumpf:
Jever so alt und so neu. Jever 2004