Anschaffung von UHU-Paaren

Saatkrähenvergrämung der letzten Jahrzehnte in Jever

Eigentlich ist es in der Öffentlichkeit zum Thema Saatkrähen in Jever in den letzten Jahren ruhiger geworden. Da mag die seit 3 Jahren erfolgte Live-Videoübertragung (1)

UHU-Sticks

ein UHU-Paar.
der Brutzeit im Schlosspark viel beigetragen haben. Eine konstruktive und positive Berichterstattung über das Leben des Krähenpaars Mathilde mit Krähenmann erzielt doch eine überörtliche Wirkung, in der sich die üblichen Kläger möglicherweise sogar zur Zurückhaltung angehalten sehen.

Vielleicht dennoch noch unter dem Eindruck der vergangenen Brutperiode der Saatkrähen in der Innenstadt stehend, ganz sicher aber im Hinblick auf die Kommunalwahl am 12. September zielend, hat die Soziale Wählergruppe SWG am 30. Juni 2021 einen Antrag in den Rat der Stadt Jever eingebracht: Regulierung des Krähenbestandes in Jever; Anschaffung von UHU-Paaren
(Formulierung und Schreibweise gemäß Ratsinformationssystem (Ratsinfo) der Stadt).

Dieser Antrag steht heute, im März 2022 kurz vor dem Beginn der diesjährigen Brutperiode immer noch in der Liste der Anträge im Ratsinfo der Stadt - im Herbst an der Spitze, jetzt erheblich weiter hinten.Trotz der Reifezeit dieses Antrages werden sich die vorgeschlagenen bzw. geforderten Maßnahmen für die jetzt bevorstehende Brutperiode nicht mehr umsetzen lassen. Wenn je überhaupt, denn beide im Antrag formulierten Gesichtspunkte standen schon 2017 zur Debatte und zeigten auch damals keinerlei Folgen.

1.) Die SWG beantragt, dass der Umweltbeauftragte der Stadt Jever sich mit der Thematik und dem Ziel beschäftigt in Jever 1 bzw. 2 UHU-Pärchen anzusiedeln z.B. Glockenturm und Schlossturm. Ferner soll dieser Vorschlag mit den Umweltbehörden und der Jägerschaft konkretisiert werden, Sinnvoll wäre es auch einen Vertreter des NWK hinzuzuziehen.
2.) Es wird für dieses Vorhaben und Umsetzung werden 5.000 € in den Haushalt 2022 eingestellt
3.) In den Folgehaushalten werden jährlich 5.000 € für die Schaffung eines Vorstadtwaldes jeweils in die Haushalte eingestellt. Dieser Vorstadtwald soll den Krähen als Ausweichquartier dienen. Lage und Beschaffenheit des Waldes soll im gleichen Gang mit der o.g. Thematik (UHU) im Einklang mit Umweltämtern, Umweltorganisationen und sonstigen Behörden besprochen
. (2)

Der erste Teil des Antrages erinnert an einen 2013 durchgeführten Versuch zur Saatkrähenvergrämung (auch) mittels eines Klebstoffes. Das örtliche Unternehmen Trotherm brachte ein Nebenprodukt auf den Markt, welches mit dem drohenden Namen "Nopaloma" vordringlich die Ansitzmöglichkeiten für die wilden Stadttauben an Gebäudensimsen etc. reduzieren sollte. Dieses Mittel wurde auch der Stadt für einen Test angedient, damit den Saatkrähen durch die Klebrigkeit in den Bäumen der Aufenthalt und der Nestbau vergrault werden sollte.

Der Versuch fand am 27. März 2013 an der linken Eiche neben der Denkmalstele von 1872 statt. Zwei schon vorhandene Nester wurden mittels Hebebühne entfernt und die dortigen Äste sowie das Umfeld durch einen Mitarbeiter der Firma mit der Paste bestrichen. Nachdem allerdings schon die dritte Kartusche nach wenigen Minuten Auftragung geleert war, das Geäst der Eiche jedoch noch viel, viel Platz bot, wurde aus Kostengründen Halt gemacht.

Nopaloma an Ästen

2 neue Nester nach dem Nopalomaversuch

Ich hatte Vergleichsfotos gemacht: Bereits am nächsten Tag entstand ein neues Nest an anderer Stelle im Baum, sechs Tage später eines offensichtlich unmittelbar neben einer Pastenauftragung. Diese Methode wurde nicht weiter verfolgt. In Süddeutschland jedoch wurde tapfer mit den Erfolgen dieser Vergrämungsmethode geworben. Die Allgäuer Zeitung berichtete später - eher als Glosse. Der Spott der Leserschaft ließ nicht auf sich warten.(3)

Der o.a. Antrag, natürliche Feinde der Saatkrähen im Ort anzusiedeln, wurde im Rathaus schon mehrmals verhandelt (siehe NWZ vom 10. März 2017: "Immer wieder Krach um Krähen"). Nicht nur der Umweltbeauftragte, sondern auch Ratsmitglieder suchten vor Jahren schon beim herbstlichen Brüllmarkt das Gespräch mit den verschiedenen dort auftretenden Falknern. Die Auskünfte dieser waren immer ernüchternd: Eine solche Aktion könne nur von Falknern durchgeführt werden – das gehe bei einem zeitlich langen Einsatz ins (unbezahlbare) Geld; eine Ansiedelung vom Jagdfalken und Großeulen mit dem gewünschten Ziel sei überhaupt nicht abzuschätzen; domestizierte Tiere verlören dazu weitgehend den Jagdinstinkt.
Das wurde im Fachausschuss mehrfach mitgeteilt – aber es gibt ja immer jemanden, der von anderortigen Erfolgen gehört hat. Die örtlichen Ornithologen hatten sich für die Saatkrähen positioniert – deren Auskünfte wurden ignoriert. Denn die hier gefragten Beutegreifer lassen sich nun mal nicht wie Bauklötze hin- und herschieben. Der Kirchturm der evangelischen Kirche beherbergt seit einigen Jahren wieder ein Turmfalkenpaar. Diese Art stellt für die Saatkrähen jedoch keine Gefahr dar. Anders wäre es mit Wanderfalken. Der besiedelten Bereich ist dabei für diesen größeren Vogel kaum Jagdgebiet. Attraktiv kann dort aber ein hoher Brutplatz sein. Seit 4 Jahren brütet tatsächlich ein Wanderfalkenpaar auf der oberen Plattform unseres Fernmeldeturmes in über 60 Metern Höhe in der dort schon vor Jahren aufgestellten Nisthöhle. Aber diesem wird das Leben hier nicht einfach gemacht. Störungen der Vögel mittels Laser am Fernmeldeturm wurden schon beobachtet.

Nopaloma an Ästen

Allgäuer Zeitung vom 15. Januar 2015 berichtet über die Paste aus Jever

Der Uhu als größte Eule ist ein möglicher Beutegreifer von Saatkrähen. Diese Art ist aber seit den früheren Verfolgungen selten und meidet den bewohnten Bereich. Uhus wurden bisher in der Stadt nicht beobachtet – falls es denn in erreichbarer Nähe überhaupt ein Vorkommen gibt. Erst im Upjever Forst soll die Art gesichtet worden sein.
Weiterhin zu bedenken ist, das Brut- und Aufzuchtperiode wie bei allen Wildvögeln nur knappe drei Monate dauert.In dieser Zeit hätten Beutegreifer Erfolg bei Brut und Jungtieren. Was futtern diese Jäger in der übrigen Zeit in ihrem städtischen Leben?

Die Einrichtung eines Vorstadtwaldes wurde bereits um 1992 vom damaligen Stadtdirektor Hashagen angeregt. Seinerzeit gab es in der Stadt noch keine Saatkrähen. Die Motivation mag in dem privaten Interesse – der Jagd - verbunden mit der aufkommenden „Ökologisierung“ in den öffentlichen Diskussionen gelegen haben. Den konservativen Rat zur Zustimmung zu bewegen gelang ihm dadurch, diese Flächen als unausweichliche Kompensation für das Baugebiet Ladestraße/Alter Güterbahnhof (BP 53) auszuweisen. Denn mit Beginn der 1990er Jahre setzte sich langsam die schon seit Jahren geltende Eingriffsregelung des Naturschutzgesetzes durch. Mehrere, leider nicht zusammenhängende schmale Parzellen konnten damals auf sandigem Boden in Moorwarfen erworben werden. Zwei Tage des Baumes sorgten für die Bepflanzungen einer bisherigen Ackerfläche am Moorwarfer See, andere kleine Parzellen brachten schon üppigen Bewuchs als aufgelassene Baumschulflächen mit. Einer Arrondierung der Teilflächen widersetzten sich dann aber anliegende Landbesitzer – so ist der Stadtwald seit 30 Jahren im Anfangsstadium steckengeblieben. Soweit zur Geschichte des Stadtwaldes.

Was aber haben Stadtwald und Saatkrähen miteinander zu tun? Wer sich die heutigen Standorte der Brutbäume der Saatkrähen im Stadtgebiet vergegenwärtigt, erkennt, dass als Voraussetzung ein Baumbestand von weit mehr als 10 Metern Höhe erforderlich ist, wie im Schlossgarten, in den Wallanlagen, an der Wittmunder Straße oder bei Jürgens Dreesche. Die Anpflanzungen rund um das Freibad, um 1982 entstanden, haben mittlerweile eine ausreichende Höhe, so das hier seit wenigen Jahren auch Siedlungsgebiet ist. Gucken wir weiter in die westliche und nördliche Landschaft hinein, finden wir meist zwar Hofbüsche mit ausreichender Höhe – jedoch keine Brutplätze. Von einigen dieser Orte wissen wir von Nestbauversuchen. Hier haben wohl die Anwohner weiteren Ausbau verhindert. Über die Stadtgrenze geschaut, bevorzugen die Saatkrähen auch woanders die bebauten Gemeindeteile. Selten finden sich geduldete Brutbäume auf Hofbüschen. Offensichtlich sehen die Saatkrähen auch Autobahnrändern als ausreichend sicheren Kolonieplatz an. Bekannt ist die Kolonie bei Blauhand. Am Wilhelmshavener Kreuz gab es Nestbau- bzw. Brutversuche.

Aus der jetzigen Brutplatzverteilung ist auch zu erkennen, dass die Saatkrähen die südlichen Bereiche des Stadtgebietes offensichtlich meiden. Dabei wäre im Wallheckengebiet von Cleverns und Sandelermöns der erforderliche Baumbestand vorhanden. Warum finden sich keine Saatkrähen im Schützenhofbusch oder in der Gotteskammer? Zur Nahrungssuche schwärmen die Tiere auch in die südlichen Stadtbereiche aus, als Koloniegebiet aber scheinen diese nicht zu genügen. Auch die Flur um Moorwarfen, mit Wallhecken und Alleen mit den hohen und alten Baumbeständen und dem zu erweiternden Vorstadtwald, wird für die Nahrungsaufnahme besucht, die Vögel ,ignorieren‘ aber das dortige Areal als ,Ausweichquartier‘ für Nestbau und Brut.

Saatkrähen sind keine Waldvögel. Sie bevorzugen eine Parklandschaft mit dichteren und offeneren Bereichen. Möglicherweise meiden sie Pappeln und Weiden als Nestbäume. Wir wissen es nicht genauer. Die Tiere sind schlau genug, zu erkennen, dass nach einer jahrhundertelangen Verfolgung der beste Schutz für die Brutplätze sich innerhalb der menschlichen Ansiedlungen findet. Gleichzeitig bieten sich hier auch neue Nahrungsquellen. Und wenn, wie in Jever, neben einer Mitnahme der regelmäßigen Graftengeflügel-Fütterung auch noch ein riesiger Energiemais-Haufen für Biogas am nördlichen Stadtrand liegt, in Sichtweite das Abfallwirtschaftszentrum sowie weitere Biogasanlagen, dann können sich die Sattkrähen wie im Schlaraffenland fühlen.

In den letzten Jahren der relativen Ruhe um die Krähen ist Bewegung in die Auswahl der Koloniebereiche gekommen. Die Besiedelung von Bäumen in den Wallanlagen dünnt sich aus, dafür werden Baumwipfelbereiche um das Sportzentrum herum und am Schurfenser Weg erobert. Der Schlosspark bleibt Asylgebiet, aber die gärtnerisch erforderlichen Fällung haben Spuren hinterlassen.

Seit über 20 Jahren zählen Werner Menke von der WAU und der Umweltbeauftragte die Nester im Stadtgebiet als Maß für den Krähenbestand.

Zählungen 1997-2011

Für die letzten 10 Jahre hat sich eine Anzahl zwischen ca. 530 und 720 stabilisiert. Trotz einer Abwanderungen aus der Innenstadt wurde im letzten Jahr jedoch die 800-Marke überschritten Das neue Siedlungsgebiet mit alten Eichen im Hofbusch Jürgens Dreesche und in den hohen Bäumen im Umfeld des Sport- und Freizeitgeländes mag die Vermehrung gefördert haben, sicher aber werden auch die letzten warmen Winter und die ganzjährig zu besuchenden nahen Futterquellen einen Einfluss auf die Populationsgröße genommen haben.

Zählungen 2013-21

Die Zählung 2021 erfolgte durch Philipp Berens (Stadt Jever) und Volker Bleck für Kirchplatz, Wallanlagen sowie die Außenbereiche Jevers und durch Werner Menke für den Schlosspark.
Schlosspark: Die erste Zahl gibt die Nester im Park an, die zweite Zahl die im unmittelbaren Umfeld liegenden (Ehrenmale für die Kriegsopfer, Schlossgang).
Die 2018 erstmals festgestellte Kolonie im „Wäldchen“ Ecke Beethovenstr./ Wittmunder Str. und gegenüberliegende Seite) ist weiter gewachsen, seit 2019 hat sie eine eigene Rubrik. Das Nest in der Rubrik ‚Andere Standorte‘ befindet sich hinter dem OLB-Gebäude. Zur Methode: Gezählt werden jeweils die einzelnen Nester. Dabei kann bei „unfertigen“ Nestern im Einzelnen nicht immer klar gesagt werden, ob es sich um Nester handelt, an denen noch gebaut wird, oder um aufgegebene Versuche von Nestbauten; insofern erheben die Zahlen keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit, sind aber im Hinblick auf die Größenordnung durchaus aussagekräftig. Veränderungen können sich auch durch Neubauten bzw. Aufgabe von Nestern nach den jeweiligen Zählterminen ergeben. Auffällig ist vor allem die sehr starke Zunahme in den Bereichen Jürgens Dreesche (Anwesen Meyer), Schurfenser Weg und Flächen nördl. u. westl. Sportzentrum, also in den Außenbereichen Jevers. Dadurch wird 2021 für Jever eine neue Rekordzahl von rund 800 Nestern gezählt (bisheriges Maximum: 2012 mit 716).

Man könnte vermuten, dass sich die zur Zeit weitgehend unbehelligte Saatkrähenkolonie hinaus in die freie Flur wagt. Das war eigentlich das ursprüngliche Ziel aller in den politischen und rechtlichen Diskussionen zu den durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen in der Innenstadt. Aber auch Vergrämung ist Verfolgung – eine Erkenntnis zum Wissen über diese Vögel?

„Rechtzeitig Bäume pflanzen für die späteren Koloniestandorte“ wurde vielfach angemahnt. Für 20 bis 30 Jahre müsste man da schon vorausplanen. Mit fehlendem Eigentum an geeigneten Flächen und Vorbehalte, sich damit für zukünftige Gewerbegebietsausweisungen im nördlichen Stadtgebiet zu binden etc. war keine rechtzeitige Vorsorge in Standorte für große Bäume möglich. Dabei gibt es z.B. in den Zufahrtsschleifen der B210-Auffahrten ,Nord‘ und ,West‘ räumliche Möglichkeiten von Anpflanzungen für diesen Zweck. Die dort bis vor zwei Jahren stehende Erstbepflanzung aus dem Jahr 2000 wuchs gerade in die für Saatkrähen geeignete Höhe hinein, da wurde alles wieder gefällt. Sicherheit für den Verkehr! Aber mussten deswegen auch die Bäume in der Mitte dieser großen Brachländereien dran glauben. Was entwickelt sich jetzt dort? Wenigsten Blumensaat hätte man ausbringen können. Zwischen Straßenmeisterei und die Stadt als nahe Verwaltungsbehörden sollte doch eine Zuammenarbeit möglich sein.

Soweit zu den im o.a. Antrag aufgestellten Forderungen.
Wie schon erwähnt, ist der Sachverhalt schon mehrfach beantragt oder besprochen worden. In den Niederschriften der Ausschusssitzungen wäre das nachzulesen. Die Erinnerung hält wohl immer nur eine Ratsperiode – trotz der langjährigen ,im Amte‘ stehenden Dauer-Ratsmitglieder.

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Folgend noch einige Erinnerungsstücke zu den Anfängen der Saatkrähenkolonisation ab 1995.
Die Krähenansiedlung war für Rat und Verwaltung von Anfang an ein Ärgernis, denn hier sprachen die Bürger vor, ließen ihrem Unmut über die Untätigkeit der Verwaltung freien Lauf. Corvus frugilegus, die Saatkrähe, steht aber unter dem Schutz der Europäischen Vogelschutzrichtlinie. Unter Schutz stehen auch die Brutbäume und ihre Nester. Da kann man nicht mal eben… Als für Natur und Umwelt zuständiger Mitarbeiter im Rathaus war ich weisungsgebunden und kein „Saatkrähen-Obmann“.

Als die Saatkrähen um 1995 den Kirchplatz einnahmen, wo dienstags und freitags der Wochenmarkt stattfindet, gab es aus aus hygienisch-proklamierten Gründen Handlungsbedarf. Nachdem in der örtlichen Presse die Gegner der Saatkrähen Furore machten, lud Stadtdirektor Hashagen einen Vertreter aus dem Fachbereich Naturschutz der damals noch in Oldenburg residierenden Bezirksregierung ins Rathaus, ein (oder zwei?) örtliche Jäger und ich waren dabei. Die Positionen der Jäger und des Regierungsvertreters waren unversöhnlich und kochten derart hoch, dass es zu einer tätlichen Klopperei gekommen wäre, hätte der Stadtdirektor nicht eingegriffen.

Die folgende Einigung war, dass das Rathaus zwar die Krähenansiedlung hinnehmen musste, aber mit der Naturschutzbehörde abgestimmte Handlungen zur „Vergrämung“ der Tiere durchführen durfte. Vergrämung bedeutet, dass die Krähen wissen sollten, sie seien nicht erwünscht – rabiatere Handlungen wie Nesterausspritzen mit der Feuerwehr, Eierentnahme, Fallen etc. waren nicht erlaubt. Trotzdem ließ der Stadtdirektior auf dem Kirchplatz eine "Spatzenschrotscheibe" in eine Platane hängen. Mangels Schießerlaubnis wurde sie jedoch wieder abgehängt. Auch erste Stanniolstreifen wurden eingehängt - aber wegen der Lärmbelästigung der Anwohner bald wieder entfernt.
Eines morgens präsentierte der Stadtdirektor dann eine Konstruktionszeichnung für eine „Krähenklatsche“. Mit dem lauten Knall zweier zusammenschlagender Bretter in den Nestbäumen sollten es die Krähen ungemütlicher haben. Karl-Franz Hilbers, der Leiter des städtischen Bauhofes, baute den Prototyp. Nach einigen Veränderungen wurde eine erste Serie von 6 Klappern aufgelegt und in wichtigen Bäumen installiert. Die Krähenklatsche geriet zum einem Medienereignis in der Presse, die verschiedenen Fernsehsender berichteten aus Jever. Passanten und Bürger sollten die Klappern bedienen, die Nachtwächterführungen hatten eine Anlaufstelle mehr, Anfragen aus nah und fern zum Nachbau erreichten das Rathaus. Das war ein „Alleinstellungsmerkmal“, wie es dem Stadtdirektor in Sachen Stadtmarketing und Tourismusförderung wohl gefiel. Vielleicht hatte die Krähenklatsche sogar mehr Wirkung im letzteren. Eine wichtige politische Funktion hatten die Klappern: Immerhin hatte die Stadt endlich etwas getan. Weitere Techniken wurden erwogen – die Naturschutzbehörde des Landkreises dabei natürlich immer hinzuziehend.

Skizze Kräkenklapper

Es stellte sich heraus, dass die Klapper nur eine Wirkung in dem Baum hat, in dem sie aufgehängt ist. Auch nur dann, wenn sie regelmäßig betätigt wird. Da das manchmal nicht ausreichend geschah, so sind auch Bruterfolge auf solchen Bäumen erzielt worden. Mit dem 1. April als festgesetzten Bruttermin wurden die Seile in solchen Nistbäumen gekappt, da wir dann von einem Gelege ausgingen. An anderen Standorten bleiben die Zugseile bis zum Ende der Nestlingszeit. Es gab am Kirchplatz übrigens auch Anwohner, die die Seile schon weit vorher kappten, weil das Klappern mehr störte als das Krächsen der Krähen.

Jever war aber nicht allein mit dem „Krähenproblem“. Im Gelände des Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch etablierte sich eine stabile Kolonie – bis heute. Die Liste der Städte und Gemeinden mit gleichem oder ähnlichem „Notstand“ wurde immer länger und die jeweils zuständigen Mitarbeiter der verschiedenen Verwaltungen versuchten einen Wissensaustausch.

Es gab in den nächsten Jahren keinen dauernden Frieden zwischen Krähenbefürwortern und Krähengegnern, betroffenen Anwohnern und der Stadtverwaltung. Die örtliche Presse stellte sich auf die Seite der Krähenablehner. Gezielte Desinformation über Krähenjagderlaubnisse (bei Rabenkrähen, aber nicht bei Saatkrähen) führte zu Schlagzeilen und stiftete Unfrieden über die vermeintliche Macht "der" Naturschützer. Die Wogen schlugen manchmal hoch (Leserbriefe, Anrufe). Versuche, die Saatkrähen positiv zu besetzen, wurde zwar immer mal wieder von "Krähenfreunden" vorgeschlagen, wurden in der Stadtpolitik vehement zurückgewiesen. Die Landesnaturschutzbehörde trat hier auf, in der Berichterstattung über einen Vortrag zu Saatkrähen von der Staatlichen Vogelwarte Wilhelmshaven wurde Herrn Bairlein lächerlich gemacht.

Einige Anwohner am Schlosspark griffen zur Selbshilfe und versuchten mit Schreckschüssen und gehorteten Sylversterböllern in der Brutzeit 2004 Aufregung in der Kolonie zu schaffen. 2006 wurden mit der neuen Verwaltungsführung Dankwart (rigorose Gegnerin der Saatkrähen) und der Naturschutzbehörde beim Landratsamt Friesland Bereiche bestimmt, in denen die Saatkrähen geduldet werden sollten. In einzelnen Bäumen ("Brennpunkte" wie z.B. über Denkmälern, Brücken, Wochenmarktplatz etc.) wurden in jährlicher Rücksprache und Genehmigung der Naturschutzbehörde die Klappern erlaubt. Mit der jährlich erneuerten Genehmigung reagierten wir auf Kolonieausweitungen. Die Stadt tat etwas, aber nicht genug: Aus Protest wurde 2007 das Frl.-Maria-Denkmal von von Krähengegener verhüllt, um so auf die Verunreinigungen aufmerksam zu machen.

Im Dezember 2011 veranstaltete die Stadt Leer ein „Saatkrähensymposium“. Jever war mit hoher Besetzung dabei. Welch ein Erstaunen in der nahezu einhellig zu Krähen negativ eingestellten Teilnehmerschaft aus den Gemeinden, dass weniger über die Beseitigung der Plage gesprochen wurde, sondern die Zuhörer auf eine positive Einstellung gegenüber den Vögel eingestimmt werden sollten. Vorträge von freiberuflichen Krähenverstehern über Nester-Verfrachtung (Umzug der Kolonie) und technische Beeinflussung (elektromagnetische Wellen, akustische Warnrufe etc.) nährten die Hoffnung auf Entledigung der Übel. Doch das meiste war Planung und Absicht. Es gab (und gibt) keine wirklich durchschlagende Methode.
Die Zählung 2010 und 2011 der Nester in der Stadt brachte leider immer größere Zahlen. Die nicht erfüllten Hoffnungen, dass nach "Leer" endlich handfestere Abwehrmöglichkeiten möglich seien (alle Zeitung hier berichteten über das Krähensymposium) - brachten mit Unterstützung des Bürgervereins sowie Stadtmarketings das Thema wieder auf die politische Tagesordnung: Im Januar 2012 erfolgte wieder Abstimmungen auf höherer Ebene. Die Vogelschutzrichtlinie war stärker.
Mit einer Höchstzahl von 13 Stück gab es die Klappern in den Wallanlagen und dem Bereich des Kriegerdenkmals. Zusätzlich hatten einige Bürger private Klappern in ihren Bäumen aufgehängt. Installation und Wartung (vielfach wurden die Seile unerreichbar hoch in das Geäst geschleudert) erforderten jedes mal einen Hubbühneneinsatz. Die Wartungsarbeiten wurden im Zuge der winterlichen Baumpflege miterledigt. Durch zwei Beinahe-Unfälle 2012 mit herabstürzenden Teilen wurde die Haftungsfrage deutlich.
Eine alternative Bauform mit weniger beweglichen Teilen wurde entwickelt, Versuche, den TÜV oder eine andere Prüfinstitution für unser Baumuster zu gewinnen, scheiterte an den immensen Kosten.

2013 kochte die Volksselle mal wieder über. Das Rathaus gab die Anweisung, Nester auszuheben. In diesem Jahr hielt der Frühling schon vor der üblichen Zeit Einzug. So gab es dann bei dieser Aktion auch einigen Nester mit Eiern, was zu einer Empörung bis in die Fernsehnachrichten reichte.
In den nächsten Jahren wurde wieder viel ausprobiert: "Donnerblech", Rasselns aus Konserverdosen, Beleuchtung, schillernde Ballons mit grellen Farben, Windräder mit Spiegeleffekten, glitzerndes "Vogelabwehrband".

Es meldeten sich bei mir auch "Anbieter" alternativer Maßnahmen: So beteuerte eine Person, dass sie durch das "Besprechen" die Wallanlagen von den Saatkrähen befreien könne. Ich ließ sie gewähren - etwas hilfslos, weil ich nicht wusste, wie man solch einem offentsichtlich ernsthaft "Überzeugten" begegnet. In einem anderen Fall bot ein Techniktüftler aus Ostfriesland ein Gerät an, das per "Strahlung" (elektromagnetisch?) auf die Krähen einwirken sollte und sie zum Wegzug bewegen sollte. Das Kästchen mit Stromanschluss wurde im Graftenhaus installiert und "arbeitete" die gesamte Brutperiode - ohne Wirkung. Von beiden Personen mit diesen esoterischen Methoden habe ich nie wieder etwas gehört.

Neuer Anlauf

Neuer Anlauf

2014 wurden mehrere Nester, die durch Eisregen zusammengefroren als ganze Stücke aus den Bäumen genommen werden konnten, in große Weiden am Tettenser Tief nahe des Gewerbegebietes direkt in die Flugbahn der Krähen zur Biogasanlage eingebaut. Trotz längerer Beobachtung konnte kein Interesse an diesen "Fertighäusern" bemerkt werden. Nach wenigen Jahren fielen die Nester auseinander (NWZ 28.01.2014).

Der neue Bürgermeister Albers "erbte" 2013 den Saatkrähenkampf, brachte aber im Gegensatz zu den Vorgängen "von Amtes wegen" etwas Gelassenheit mit. Weitere Vergrämungsversuche führten nicht zu den erwarteten Zielen und so entschied die Verwaltungsspitze 2017 den Abbau des wichtigen Symbols: die jeversche Anti-Saatkrähenklapper wurde nach über zwanzig Jahren ausgemustert. Auch weitere Maßnahmen sollten nicht mehr durchgeführt werden.

Ein letztes Aufflackern von Engagement der Saatkrähenvertreibung entstand 2018 durch das Angebot der Jägerschaft, mit Lasern die Tiere zu vertreiben. Diese Geräte wurden jetzt preisgünstig angeboten und versprachen große Wirkung, wie im Internet bei Gänsen und anderen Tieren demonstriert wurde. Die Jägerschaft rüstete auf, aber die Naturschutzbehörde prüfte dieses Verfahren und verwarf die Methode.
Die ferne Badische Zeitung vom 23. Februar 2018: "Jever war guter Dinge, man plante den Einsatz von Lasern der Stärke 2, was als eher niedrig gilt. Doch Verbündete der Saatkrähe in der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises entschieden: Stärke 2 ist zu viel, die Netzhaut der Krähe könnte Schaden nehmen. Erlaubt seien Laser der Stärke 1. Im Rathaus führte das zur Kapitulation. Mit Lasern Stärke 1, hieß es, komme man nicht einmal hoch in die Baumkronen."


Die Tiere können sich nicht ändern, der Mensch sollte es können. Die jahrhundertelange Verfolgung, die Dämonisierung der Krähen als mit dem Tode in Verbindung stehend, als Saaträuber, als Aasfresser etc. zeigen, dass die Vernunft weitgehend auf der Strecke geblieben ist. Es hilft nur mehr Gelassenheit. Das von den Saatkrähen in Jever "eingenommene" Areal in der Stadtmitte ist sehr klein, die Beeinträchtigungen sind lokal begrenzt - wenn auch gerade in als wichtig hervorgehobenen touristischen Brennpunkten.

nicht passiert mehr..

Administrative Gelassenheit?


Über die Stadtgrenzen zu gucken hilft vielleicht. In Dornum, nicht weit von hier, lebt die Saatkrähenkolonie über das ganze alte Dorf verteilt in fast allen Gärten. Dort kann man den Krähen nicht aus dem Wege gehen. Das muss man erlebt haben. In der Zeitung stand dazu nicht so viel wie über die Not Jever.

 

Fußnoten:
1) Während der Brutzeit auf www.schlossmuseum.de und www.wau-jever.de

2) Der vollständige Antrag ist im Ratsinformationssytem der Stadt Jever einzusehen oder hier als Kopie. NWK = Nordwest-Krankenhaus Sande, Saatkrähenkolonie.
Am 30.03.2022 tagte der Fachaussschuss mit dem Beschluss einer Anschaffung der Vögel

3) Allgäuer Zeitung: Leserreaktionen auf NoPaloma-Artikel

 

Sachinformationen
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, 2015:
Handlungsempfehlungen zur Lösung von Konflikten mit brütenden Saatkrähen in Niedersachsen.

Ergänzungen:
Das Stöbern in der Zeitungsausgaben der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte bringt zum Suchwort "Saatkrähe" eine Vielzahl von Berichten zu Tage. Für die Lokalberichterstattung der Zeit ab 1946 empfiehlt sich das Archiv der Nordwest-Zeitung (für Abonnenten), für die Zeit davor der digitalisierte Bestand des Jeverschen Wochenblattes von 1791 bis 1945 in der Landesbibliothek Oldenburg. Einige Beispiele:

schon 1957..

Die Saatkrähen haben nicht zum erstenmal die Stadt Jever "heimgesucht". Bereits 1957 gab es eine Ansiedelung auf dem Kirchplatz.

NWZ_2015-02-26 Mit neuen Klatschen gegen Krähen
NWZ_2015-12-04 Krähenklatschen bleiben das Mittel der Wahl
NWZ_2016-01-29 Klatsche für Krähen
NWZ_2018-02-02 Aus Laserpointer-Einsatz wird wohl nichts

JW_1900-11-25 Nutzen und Schaden der Saatkrähe
JW_1906-10-19 Was ist von der Saatkrähe zu halten?
JW_1911-05-05 Nachtigall und Saatkrähen im Schlosspark

5 Pfg pro Kopf

schon 1957..

 

Letzte Meldung:

schon 1957..

Jeversches Wochenblatt vom 01.04.2022 - kein Aprilscherz.
 

 

V. Bleck, März 2022