Nachhaltig sollen sie sein, die Ergebnisse bei  weltwichtigen Verhandlungen. Angefangen bei Koalitionsgesprächen von Wahlgewinnern auf kommunalen Ebenen bis hinauf bei den aktuell wichtigen Verhandlungen über die Inhalte der Ampel-Regierung in Berlin. Noch größer und wichtiger: die Verhandlung gerade jetzt, Anfang November 2021, in Glasgow (COP 26) sollen die menschengemachten,  für uns und unsere Umwelt schädlichen Klimaveränderungen bremsen, damit auch zukünftige Menschengenerationen 
  sorgenfrei leben können. Besprechungen, Absprachen und Verhandlungen sind Grundlagen unserer 'zivilisierten' Weltgemeinschaft. Schriftlich dargelegt und zugänglich gibt es die Ergebnisse und Beschreibung solcher Verhandlungsführung erst seit wenigen Jahrhunderten.
  So ist ein vor über 400 Jahren aufgezeichneter Bericht, die "Reformation der ganzen und weiten Welt" auf uns gekommen.  Bisher im Internet nur als in Fraktur gedruckte Scans gefunden, habe ich den Bericht hier, m. E.  erstmalig, "digitalisiert".
  Was hat dieser Text mit dem Themenkreis "Schripnest" zu tun? Im Jahre 1612 hat der Autor die "Reformation" erstmalig drucken lassen.  Zu dieser Zeit wartete das Rathaus Jever auf die bauliche Fertigstellung. In den neuen  Herrscher  Graf Anton Günther in Oldenburg wurde große Hoffnungen gesetzt - wirtschaftlich und besonders politisch: gegen die Übergriffe der Ostfriesen und später gegen die marodierenden Truppen im 30  Jahre dauernden Krieg.  Die Menschen im Jeverland hatten ihre Sorgen und Nöte wie überall. Auch hier war (und ist) der jetzt beschriebene Reformationbedarf.
Allgemeine Reformation der gantzen Welt, 
so auß Befehlch des Gottes Apollinis von den Sieben Weysen aus Grichenland, 
und andern Hochgelehrten Leuten ist publicirt und außgeschrieben worden. 
Der Kayser Justitianus, auff welches anordnung die Bücher Digesta  und Codex, darinnen die Römische Rechte begriffen sein, zusammen getragen  worden, ersuchte in kurtz verschienen tagen den Gott Apollinem, umb gn. Consens  und bewilligung in ein newes Gesetz, so er zu publiciren bedacht, wordurch den  Menschen scharff verbotten wird, grausamkeit wider sich selbst mit verkürtzung  ihres Lebens zu üben: Diß Gesetze bedauchte den Gott Apollinem so abscheulich  zu sein, daß er mit einem schweren und von grund seines Hertzens hierauf  gethanem seuftzen zu dem Keyser sprach: Ists immer müglich, daß die Regierung  Menschliches Geschlechts in so grosse unordnung und mißbrauch gestürzet sey,  daß die Leute, damit sie nur des Lebens abkommen, zu sterben begehren? und da  ich biß anhero habe unzahlbar viel Philosophos und Lehrer guter Sitten  besoldet, nur zu dem Ende, daß sie durch ihre Lehren und Schrifften andere Leut  behertzt machen, damit sie nicht so ein grosses schrecken und zagen für dem  Todt hetten, so sein die sachen jetzund zu dem Elende gerahten, daß dieselben  so sich vorhin in den Todt durchauß nicht begeben kondten, nunmehr gar kein  lust zu leben haben, und ich bin noch hinlässig und schlummerend bey einem so  unordentlichen wesen?
  Der Keyser anwortet, wie dem allem, daß dannoch gemeldtes  Gesetz hochnötig, und daß schon viel Exempel vorgelauffen, darinnen die Leut  auß verzweiffelung sich selbst den todt angethan, auch zu befürchten, es möchte  immer ärger werden, wo nicht durch gedachtes mittel dem übel würde vorkommen.  Hierauff erkündigte sich Apollo mit höchstem fleiß, auff was art und weyse  jetzundert die Welt lebete, und befand sie so gar verdorben, auch so voll  Laster und Boßheit, daß man schwerlich hette mehr arges hinein bringen können.  Entschloß demnach auß hochdringender noht, damit dem Elend möchte abgeholffen  werden, eine zusammenkunfft anzustellen, wozu dann auß allen Stämmen,  Herrschafften, diejenigen solten beruffen werden, die so an Weißheit und  Hochverstands halber über andere berümbt weren, auch zeugnus hetten eines  erbarn Lebens, und unsträflichen Wandels: Aber bald zu eingang einer so  hochwichtigen sachen, funden sich allerhand difficulteten und  unwiedertreibliche verhindernussen: Dann als sein May. wolte zu der Wahl  schreiten, befand sich unter so viel Philosophen und einer unzahlbaren mänge  anderer geschickter Leut kein eintziger, der nur mit dem halben theil der Gaben  were gezieret gewesen, die doch vollkömlich sein solten, in dem er sich seinen  Nechsten zu reformiren unterfahen darff, wusten auch dabeneben Ihre May. wohl,  daß in solchen reformirungssachen der deformatorn heyliges und untadelhaftes  Leben unnd gute Exempel vielmehr nutz und frommen schaffete, als die besten  Reguln und Satzungen, so den Leuten können  vorgeschrieben werden. Demnach auß  mangel ander gnugsamblich qualificirter Personen Befelch, Ihre May. gemeldetes  Reformirungswerck den Sieben Weysen aus Grichenland, als welche bey männiglich  auf dem Bergk Parnasso in grossem ansehen waren, auch gehalten wurden für  Leute, die allein gefunden hetten das Recept, den Hunden gerade Bein zu machen,  welches doch von den Alten mit viel mühe und arbeit vergebens ware gesuchet  worden. Die außsprengung dieser newen Zeytung, wie sie eines theils den  Griechen lieb und angenehm waren, wegen der Ehre so von J. May. ihrer Nation  angethan war, also war sie anderseyts den Lateinischen und Römern sehr  schmertzlich zuvernehmen, als welche dafür hielten, daß in erwehnter Wahl die  ihrigen unbillicher weiß weren fürüber geschritten worden, und dieweil Ihr May.  nicht unbewust, daß die Frucht und Nutz so durch eine reformation gesucht, sehr  verhindert wird, wo die, so reformirt werden sollen, mißfallen, an der  reformation Person tragen, auch allzeit im brauch gehabt, ihrer Underthanen  verbitterte Gemüter ehe mit sanftmut und bewilligung etzlicher sachen zu  stillen, als mit scharffen und auß Fürstlichem hohem Gewalt  herspriessenden Mandaten, als welche  gemeiniglich neben dem zwang zum Gehorsamb grossen wiederwillen erregen: Als  hat sie beschlossen, ermeldten Weysen auß Griechenland Alarcum, Catonem und  Anneum Senecam zuzuordnen, damit also der Römer gefaßter unmuth zu lindern,  auch den jungen Italianischen Philosophis zu gefallen Jacobum Mazzonium zum  Secretario bestellt, und ihme eine Stimme oder Votum Consultivum gegeben.
(Thales: Das Hertz  Guckfensterlein)
  Seynd demnach die  Weysen neben ihren zugeordneten, wie gemeldet, den 14. verschienen Monats nach  dem Delphischen Pallatio gegangen, auff welchen offtgemeldete Reformationssache  solte gehandelt werden, begleitet, durch eine edle und außerlesene Gesellschaft  der geschicksten Leute im gantzen Lande, und haben die Gelehrten einen  sonderbaren lust gesehen, an einer grossen mänge Schuelmeister und Bacalauren,  welche mit Schalen in ihren Händen herumb lieffen, und mit fleiß auffiengen die  klugen reden, und schöne Sprüch, so ermeldte hochverständige Leute heuffig  außsprützeten. Folgendes Tages, als gemeldete Herrn sämptlich beyeinander,  ihrer ersten unterredung zu pflegen, sagt man, daß Thales von Mileto, der erste  unter den Weysen hernacher gesetzter massen geredet habe: Hochweyse Herrn, ob  es wol bey sämptlich ohne zweiffel, daß diß werck, deßwegen wir anhero  beyeinander, eines von den schweresten und wichtigsten, so von Menschlichem  Verstand könne gehandelt werden, sey: Sintemal es kundt, daß alte eingewurzelte  schäden, Vistulea und Krebs am aller beschwerlichsten zu heylen, und demnach  viel möchten abgeschreckt werden, sich einer also beschaffener sachen zu  unterwinden, demnach bedünckt mich, daß eben die beschwernuß und difficulteten,  dadurch andere zur kleinmütigkeit verursacht werden, uns und unsers gleichen  sollen ein Hertz und grossen Muht machen, dieselbe zuverbinden, dieweil die  vermeinte unmüglichkeit unsern Ruhm vermehret. Auch uns auff den Thron der  Ehren und Reputation, darauff wir bis anhero gesessen, bestetigen kan, und  destomehr, weil ich euch verheissen mag, daß ich allbereit befunden habe,  meinen bedüncken nach, den rechten Tyriack und heylsame Artzney für  gegenwärtigen Gift und Verderbung guter Sitten, dann ich glaub gewißlich, daß  keiner unter uns allen seye, der es gäntzlich dafür halte, daß nichts so sehr  gegenwärtiger zeit guten Wolstand und ehrbares Leben beschwere, als die  Menschliche und tückische Art vieler listiger und doppelt gestüffelter Naturen,  welche ihren heimlichen Neyd und Haß, falsche und geferbte Liebe, Auch Gott und  trewloses Hertze, artig mit dem schönen und gleissenden Mantel der Einfalt,  Freundschafft, Gottesfurcht und Christlicher Liebe zu bedecken und zu beschönen  wissen.
  Hier Hochweyse  Herrn, tretet hier, her zu, und brauchet glüende Eysen und Scheermesser, leget  auff diese Wunden, so ich euch entdecket, scharffe und beissende Pflaster, so  werdet ihr mit der that erfahren, daß das Menschlich Geschlecht, welches itzund  seiner vielfalten Laster und Boßheit halber, tödlich kranck, auch von Artzten  verlassen, und schier gantz auffgeben ist, alsbald genesen würd: auch in  aufrichtigkeit seines Wandels, Warheit der Reden, und Heyligkeit des Lebens,  gleicher gestalt geartet sein, wie es von anfang gewesen ist, nemblich Lauter  und Einfältig. Bestehet demnach die rechte und heylsame Artzney gegenwertiges  übels allein daran, daß die Leute möchten gedrungen werden, sich in ihrem  gantzen Leben, eines reinen lautern Gemühts und einfältigen Hertzens zu  gebrauchen, zu welchem ende man durch keinerley weiß oder weg leichter kommen  mag (wie ir meines bedünckens nach, nicht werdet in abreden sein) daß man bey  den hertzen des Menschlichen Geschlechts das kleine Guckfensterlein öffene,  welches Ire May. schon offtmahls als ein hochnötige sachen Ihren Getrewen und  Thugendtreichen Underthanen verheissen hat. Dann wann die heutigen Tages  lebende Leute, welche in ihren Händeln jetzund so arglistig und verdeckt sein,  vermercken werden, daß ihr Brust durch gemeldetes Guckfensterlein eröffnet, und  sie demnach gezwungen zu reden und zu handeln, mit offnen Hertzen, werden sie  sich befleissen müssen, das beste und fürnembste unter allen Thugenden zu  lernen, nemblich der That selbsten, und nicht allein von aussen zuscheinen,  werden darnach ihre Werck mit den Worten übereinkommen, und ihre Zung, so  jetzund so hurtig und abgericht fälschlich zu stellen, wird mit der Warheit des  Hertzens einstimmen müssen, welche nicht liegen kan, wird also ein jede Lügen  und Falschheit von ihme außkommen. Auch wird der Hellische und Teuffelische Geist  der Gleißnerey und Heucheley, auß vieler Leuten Hertzen weichen müssen, welche  jetzund solchem scheußlichen und leydigen Teuffel gäntzlich eingenommen und  besessen sein.
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         Generale Riforma von 1612.  Ab Buchseite 326 in Trajanus Boccalinis "De Ragguagli di Parnasso", Centuria Prima (Scan Seite 326). | 
(Solon: Mein  und Dein)
  Diese  der Medicorum Vermahnung, vermochte so viel bey Ihrer May., daß sie sich eines  andern besunnen, und alsbald durch Ausonium Gallum der Versamblung ansagen  liesse, daß sie in ihrer Handlung fortfahren, und der andern Herren Deformatorn  meinung und gutdüncken auch hören solten: darauff fieng Solon also an zu reden:
  Hochweyse Herrn gegenwertige Unordnung kommen meines erachtens niergend  her, als von grausamen Haß und gifftigem Neyd, welche jetziger zeit unter den  Leuten so sehr überhand genommen haben, kan ihnen auch demnach nicht besser  geholffen werden, als wann in der Menschen Hertzen gepflantzet würde eine gute  zuneygung, freundlicher Correspondentz und Liebe deß Nechsten, welche Gottes  fürnembstes und höchstes Gebott ist, sollen wihr deßwegen alle, billich  eusserstem vermögen nach, uns dahin bearbeiten, daß die ursach der  Feindschafften und Uneynigkeiten, so jetziger Zeit im schwang gehen,  auffgehoben werden, und da wir zu dem gewünschten ende gereichen möchten, ist  nicht zuzweiffeln, daß gleich wie die wilden Thiere, so da eynerley Art sein,  sich freundlich mit einander begehen, daß gleichfalls auch die Menschen allen  Haß, Neyd und Abgunst ferne würden von sich sein lassen.
  Liebe Herren, ich habe offtmals der sachen fleissig nachgedacht,  und bey mihr überschlagen, welches doch die rechte Brunnquell seye, dahero so  grausamer Haß und Feindschafft unter den Menschen entspringe, und je mehr ich  die sach erwege, je mehr ich in meinem alten bedüncken gestärckt werde, daß sie  einzig und allein entstehen, auß ungleichheit der Güter und auß dem Hellischen  gebrauch des Meinen und Deinen, welches der rechte Stein ist, alles Anstosses  und Ergernüsses, und so ein schädliche gewohnheit, daß wo sie auch solte unter  den Thieren platz finden, zweiffel ich nicht, sie würden einander eben so  auffsetzig sein, auch mit ebenmässiger grausamkeit sich unter einander  auffreiben, als wie jetziger zeit die Leut thun, da sie doch friedlich leben,  wegen deß, daß sie nichts eygens haben, und also gleichheit untereinander  erhalten.
  Die Menschen, lieben Herren, wie euch sämptlich nit unbewust, sein  auch Thier, aber vernünfftige Thier, und diese Welt ist durch die Allmächtige  Hand GOttes zu dem ende erbawet, daß darauß die Menschen gleich andern Thieren,  ihres Lebens auffenthalt haben solten, nicht aber, daß die Geitzigen sie unter  sich theileten, und dasselbe, was GOtt uns gemeine geschaffen hat, in Mein und  Dein veränderten, welches uns alle in so grosse verwirrung gesteckt hat: Ist  also der klahre Augenschein, daß die, welcher Gemüther durch Geitz, Hoffart,  Ubermut und Tyranney eingenommen, und verderbt sein, solche ungleiche und  durchauß unbilliche Theylung verursacht haben. Sintemahl deme also, wie wihr  alle bekennen, daß die gantze Welt anderst nicht ist, als ein Erbschafft, so  dem menschlichen Geschlecht verlassen ist, von einem Vater und Mutter, von  welchen wihr alle als Brüder unsern uhrsprung haben, mit was Rechtes schein  köndte es beschönet werden, daß dieser nicht solte so wol sein theil daran  haben, als ein Gesell, oder wie kündte grösser und unbillicher ungelegenheit  bei rechtliebenden Leuten an Tag gegeben werden, als daß von gemeiner Erbschaft  einer so grossen theil besitze, daß er ihme nicht vorstehen kann, der ander so  wenig, daß er davon seinem Hause nicht vorstehen mag. Und ist solche  Ungelegenheit billich desto verhaßter, daß man sicht, daß gemeinlich Fromme und  Thugendtreiche Leute Betler sein, hergegen aber offt böse Buben und  ungeschliffene Esel, bey gutem Vermögen. Auß dieser Wurtzel, daß die Güter so  ungleich getheilet, erwächset, daß die Reichen gegen den Armen allerley Ubermut  üben, die Armen wiederumb die Reichen neyden, weil bey Reichen gemeiniglich  Ubermut, bey Armen Verzweiffelung hauset: Woher es auch kömpt, daß es scheinet  der Natur gemäß zu sein, daß die Mächtigen die Schwachen unterdrucken,  wiederumb auch der Wiederwille wieder die Reichen wächset, mit den Armen von  Kind auff.
  Nachdeme ich nuhn ewer Weißheiten die Wunden entdeckt habe, kan  leichtlich ein gutes und heylsames Pflaster darauff  gelegt werden, bin derowegen der meinung, daß  zu gegenwertigem Reformationswerck nichts ersprießlicher, als daß man zu einer  newen Welt theilung schreite, und sie unter männiglich zu gleichen Portionen  außtheile, auch damit man nicht auffs newe in gegenwertige unrichtigkeit  gerahte, sehe ich für gut an, daß hinfüro kauffen und verkauffen den Leuten  ernstlich verbotten werde, wordurch dann unter den Menschen köndte eingeführet  und erhalten werden, die heylsame Gleichheit der Güter und Reichthumbs, eine  Mutter des gemeinen Friedens und Eynigkeit, welche verschiener zeit ich und  viel andere Gesetzgeben mit grosser mühe und Arbeit gesucht haben. 
  Die versamleten Herren disputirten eine gute weil über dieser  meinung des Solonis, und wiewohl sie Bias, Periander und Pittacus nicht allein  vor gut, sondern auch nötig achteten, fiel doch der ander und grösser Theil dem  Seneca bey, welcher mit vielen wichtigen und dringenden Argumenten den Herren  allesämptlich darthate, und klärlich bewieß, daß die vorgegebene newe  Außtheilung der Welt grosse Unordnung und Uneynigkeit mit einführen würden,  dann die schlimmen und nichtige Löwen würden den grossen theil bekommen, und  ehrliche und rechtschaffen Leut den kleinern, über das, ob wol viel Leut  meineten, daß Pestilentz, tewre Zeit, Krieg, die schärpffesten Geissel wehren,  da Gott in seinem Zorn die Menschen mit straffte, so erhielte es sich doch  nicht also, sondern daß die grausambste Plage, da Gott die Welt mit heimsuchen  könnte, und deren er sich doch wegen seiner grundlosen Barmhertzigkeit nicht  gebrauchete, allein die wehre, wenn Bawren solten Reich, und den Herren gleich  werden.
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|  Titelblatt der deutschen Erstausgabe von 1614.
          Die Textvorlage (s.u.) hat ein Vorwort (von J.V. Andreae?) Günstiger, trewhertziger Leser, hiermit gebe ich demselbigen auß sonderlichen Ursachen, diese nachfolgenden discursen in den öffentlichen Druck zu lesen, und ob dieselbigen von anfang wol etwas leichtfertig anzusehen, so haben sie doch in recessu, mehr als man vermeinet; welches du dann, wo ferne du kein Ignorant bist, leichtlichen verstehen und mercken wirst, was heutiges Tages, und zu diesen zeiten darmit gemeinet. Und ob etzliche gäntzlich haben dafür gehalten, daß es ein blinder Philosophischer Auffzug, und keine wahrhafftige Historia sey, was hier nach folget, und von der Fraternitet des Rosenkreutzes publiciret wird... | 
(Chilo:  Gold, Silber und Eisen) 
  Nachdem Solonis Vorschlag auß gesetzten Ursachen verworffen ward,  tratt Chilo mit folgender Oration auff:
  Ich glaube nicht Hochverständige Herren, daß einer unter euch sey,  welcher es nicht dafür halte, daß der hitzige Durst und unerleschliche Begierde  Goldes und Silbers alles Unglück, das wir jetzunder sehen und leyden, in die  Welt gebracht habe, was für Schelmenstück und gottlose That, wie verflucht sie  auch immer sein kan, begehen die Leut nicht ungeschewet, wofern nuhr Geldt und  Gut damit zuerwerben Ist: Last uns deßwegen einhelliglich miteinander  schliessen, daß kein besser weg vorhanden, die Laster, damit die Welt beladen,  außzurotten, und ein Leben, so Menschen wohl anstehet, einzuführen, als daß man  die beyde geruchlose und schelmische Metallen, Goldt und Silber, in alle  Ewigkeit auß der Welt verbannen, dann da auf diese weiß die ursach aller  Unrichtigkeit hinweg genommen würde, würde auch das übel notwendiger weyse  auffhören müssen. Diese meinung, ob sie wohl dem eusserlichen ansehen nach  einen guten schein hatte, hielt sie doch die Probe nicht, da sie genaw  examiniert ward, kundte auch nicht bestehen, gegen die starcke Hamerstreich  vieler wichtiger und durchdringender Argumenten, denn es ward dagegen  eingewandt, daß die Menschen Gold und Silber deßwegen sambleten, weil es eine  maaß und gegenwage der wiedergeltung were, aller dinge, und daß zu unterhaltung  Menschliches Geschlechtes, durchauß vonöten were, daß man ein Metall hette,  oder ja etwas anderst so im werth gehalten würde, dagegen man andere sachen  einwächseln, und damit man alle dasjenige bezahlen kündte, so den Leuten zu  auffen thalt ihres Leibes und Lebens nötig, und da man gleich Goldt und Silber  nicht hette, würde man doch andere sachen an dero statt gebrauchen müssen,  welcher die Leute nicht weniger als Goldt und Silber würden begierig sein, mit  solches klärlich die erfahrung geben hatte in Indien, da die Muscheln, als  welcher sich die Leut anstatt des Geldes gebrauchen, viel höher geschätzet  werden als eynig Goldt und Silber: Insonderheit Cleobulus, welcher sich mehr  als die andern in wiederlegung dieser meinung erhitzet hatte, sagte mit  verbitterung des Gemüthes: Ihr Herren, verfluchet und verbannet viel ehe das  Eysen auß der Welt, daß ist das schädliche Metall, das so viel böses in der Welt  gestifftet hat, Goldt und Silber werden nur allein darzu gebrauchet, darzu sie  von GOtt erschaffen sein, nemblich daß alle andere ding, dardurch sollen  geschätzet und bezahlet werden: Das Eysen aber hat die Natur herfür gegeben,  damit Pflugscharen, Sicheln, Hacken, und dergleichen Instrument, so zum  Ackerbaw dienlich, solten darauß geschmiedet werden, nuhn braucht es aber die  Menschliche Boßheit zu Dolchen, Rappieren und vielen andern Tödtlichen  Gewehren.
  Ob wohl des Cleobuli meinung den Reformations Herren wahr zu sein  bedauchte, hielten sie doch, weil daß Eysen nicht köndte weg gebracht werden,  man nehme dann Eysen in die Hand und zöhe einen Harnisch über die Haut, so were  es eine unbedachtsamheit das beste zuvermehren und Schrammen mit Wunden zu  heylen, schlossen auch einmütig, Goldt und Silber, nach wie vor, solten  behalten werden, denselben aber so sie leuterten, solte Befehlch gethan werden,  daß sie hinfüro fleissig acht geben, damit sie wol möchten geleutert werden,  und zu dem ende auß dem Fewer nicht ehe bringen, biß daß sie gantz gesaubert  weren, von der Terpentin-Ader, welche sie bey sich haben, und welche  verursacht, daß die gülden und silberne Müntz, auch ehrlich und frommen Leuten  so fast an Fingern klebet.
(Pittacus:  Tugend, Liebe)
  Wie das also mit gebührlichem ernst außgesprochen war, fieng  Pittacus an:
Hochgelehrte Herren, die Welt ist in diß klägliche Elend,  darauß wir ihro zu helfen, uns so hoch bemühen, allein dadurch gefallen, daß  die Leute die vor Alters wolgebawte Strassen der Thugendt verlassen haben, und  sich auff den Weg der Boßheit begeben, durch welche sie in dieser verderbten  zeit, viel ehe die wiedergeltung, welche doch der Thugend allein gebühret. Ihr  Herren, es gehet so erbärmlich zu, daß leyder keiner in dem Pallast der Würden und  Ehren, und anderer derogleichen Vergeltungen, den Weg durch die Thür der  Wolverdiensts und Thugendthafften Scheines, wie vormahls, suchet, sondern sie  lehnen alle, als Dieb und Räuber, die schändliche Leyter der arglistigkeit an,  und springen durch die Fenster. Es finden sich auch ihrer viel, die mit Gewalt  der Geschencke und Geniesses, das Dach auffbrechen, und also in den Pallast der  Ehren steigen, aber wo ihr wollet diese Verderbte und verstreckte Zeit  reformiren, so treibt die Leut, das ist meine meinung, auff der Thungendt  Pfadt, und befehlet durch ensthaffte Gesetze, daß, wer da gesinnet ist, sich  dero mühseligen Reiß zu unterwinden, auff welcher man deren rühmlichen Lohn der  höchsten Digniteten und Aempter erwirbet, daß sich derselbe mit dem Curier des  Wolverdienstes auffzumachen, und das Gleit von der Thugend zu nehmen habe,  schaffet ab alle andere Richtstegen, alle Querstrassen, auch alle kleine  heimliche Nebenweglein, so newlich erst sein erbawet eorden, durch den Ehrgeitz  und Heucheley unser jetziger Gleißner, welche sich gemehret haben, als die  Hewschrecken in Africa, und sich über die gantze Welt außgebreitet. Dann in  Wahrheit, wie köndte einer Thugendtreichen und wolverdienten Person ein grösser  Schimpff und Hertzeleyd wiederfahren, als wann sie sehen muß, daß die höchsten  Digniteten von solchen ingehabt und besessen werden, den niemand wissen und  erdencken kan, durch was weiß und weg er darzu kommen, derhalben viel nicht ohn  ursach meinen, daß ihn allein die Zauberische Kunst der Heucheley und  Fuchsschwentzerey darzu erhaben habe, durch welche diese junge Zoroastres der  Fürsten Gemühter, auch derer so verständig und verschmitzt sein, zu beschweren,  zu bezaubern, und ihn zuverbinden wissen. 
(Periander: Fürsten  und  Ämter)
  Diese Rede Pittaci ward nicht allein mit geneigten Ohren,  sondern auch mit grosser Verwunderung von der gantzen Gesellschafft angehöret,  und würde man es ohne zweiffel bey seinem Gutdüncken haben beruhen lassen, wo  nicht Periander die Herren, so schon resolviert waren, ein anders überredet  hette, dann dieser außerlesene Mann wiedersprach kühnlich eines so hohen  Philosophi Gutdüncken, folgender massen:
Ihr Herren, es ist nicht ohne, wie Pittacus erwehnet hat,  daß in Außtheilung der Aempter und Digniteten, ein grosser mißbrauch eingerissen  sey, aber mich bedünckt darbeneben, es sey ein sach, die reifflich von uns sol  betrachtet und erwogen werden, woher es doch komme, daß die Fürsten so in  Regierungssachen, so ein scharffes Aug haben, auch so hoch darinn interessirt  sein, zu hohen Befelchen nicht mehr wie vor Alters geschehen, Thugendreiche und  wolverdiente Leute ziehen, deren Dienst nicht allein Land und Leute zu nutz,  sondern auch den Fürsten selbsten zu Ruhm gereichen möchten, und gebrauchen  sich viel eher anderer und angehender Leute, so sie auß dem staub erheben, ohne  eintzige ihre Thugendt und Verdienst. Ihr wisset liebe Herren, daß der Leute  Reden, welche außgeben, daß solches durch eine heimliche und verborgene  Influentz geschehe, welche auch verursachen, daß die Fürsten gemeiniglich sich  in dieselbe verlieben, und zu hohen Aemptern unwürdige Personen ziehen, der  Warheit im geringsten nicht gemäß ist: Sintemal wir sehen, daß in solchem,  darein ihr Land und Leut nuhr ein wenig interessirt sein, sie nicht allein die  Bruderliche Liebe hindan setzen, sondern auch bißweilen gegen ihre eygene  Kinder sich verbittern, geschweigen dann daß sie sich in dem, was ihre  Fürstliche Hochheit angebet, solten verblenden lassen, von einer übermässigen  Liebe, so sie auff einen schlechten Diener geworffen haben: Fürsten machen ihre  Anschläge nicht von ohngefehr oder ins blinde hinein, wie irer  viel thörichter weiß ihnen einbilden  lassen, sich auch nicht wie andere Leut durch  affecten regieren, sondern auch alles ihr thun ziehlet zu unterhaltung Ihrer  Hochheit, und eben dieselbe Thaten so privat-Personen für grosse fehl und  nachlässigkeiten halten, sein offt mit bedachtsamsten Muht angestellet, und  möchten billich als Reguln und Unterweysung in Politischen sachen auffgenommen  werden. Alle die jenige, so von Regierungssachen geschrieben haben, sagen frey  herauß, daß das fürnembste mittel, einem Regiment wol vorzustehen, dieses sey,  daß man die hohen Officien und Digniteten wohlverdienten Leuten, und deren  Geschicklichkeit man vorhin erkand habe, anbefehle. Weil nuhn gemeldte Heupt  Regul Fürsten und Herren wolbekandt, und man dennoch augenscheinlich siehet,  daß sie dieselbe nicht in acht nehmen, ist der wol ein alber Stümper, der ihm  einbildet, als wenns auß hinlessigkeit beschehe: Ihr Herren, nachdem ich meine  Gedancken lange zeit über eine so wichtige sache außgebreitet habe, bin  ichendlich in die meinung gerahten, daß es nicht der Fürsten schuld sey,  sondern vielmehr, ich sags mit unmuht, der Underthanen selber, daß ungelehrte  erst angehende und unwürdige Kerll, ehe zu vornembsten Aemptern  von Fürsten befordert werden, als Gelehrte,  Thugendtreiche und Wolverdiente Leut. Ich bin mit euch eins, daß Kunst und  Geschicklichkeit bey Fürsten Dienern sein muß, aber hinwieder werdet ihr auch  nicht in Abreden sein, daß die Trewe auch hochnötig seye, und ist deßwegen  offenbahr, wo Würdige und Geschickte Leut Fürsten und Herren so getrew weren,  als sie den sachen gewachsen, und so danckbar als sie sonsten Thugendreich,  würden wihr uns nicht über die Unordnung zubeklagen haben, daß aus unverdienten  Zwergen in drey oder vier Tagen grosse Riesen werden, die kleine Kürbse in  kurtzer zeit sich über hohe Birnbäum außbreiten, auch in Unweysen und  Untüchtige der Thugendt und Geschicklichkeit Thron eingenommen haben, viel auff  seine Gnugsamkeit halten, und seinen Wolverdienst doppelt höher schätzen, als  er in Warheit zu schätzen were, ist ein Laster, dem gemeiniglich alle Leute  unterworffen sein, aber insonderheit die so etwas Geschicklichkeit in ihnen  spüren, welche auch offt so stoltz und hochmütig werden, daß sie ihnen  einbilden, es haben die Fürsten mehr Ruhm von ihren Diensten, als daß sie solten  durch der Fürsten Gnad und Miltigkeit geehret und herfür gezogen sein. Habe  auch etzlich gesehen, die so auffgeblasen und doppelt hoffertig, und in ihrer  vermeinten Geschicklichkeit verliebt waren, daß sie den Fürsten viel  glückseliger hielten, daß er ihres gleichen Diener angetroffen hätte, als sich,  daß sie einen so milden und freygebigen Fürsten bekommen, schreiben demnach solche  Leute alle Begnadungen, auch Aempter und Ehren-Titul, so ihnen von Fürsten  gegeben werden, allein ihrem Verdienst und Würden zu, und wissens den Fürsten,  insonderheit wo sie in nöthen gerahten, wenig danck: Deßwegen sie dann von den  Fürsten nicht allein abgeschaffet, sondern auch von inen als trewlose Leut  vermieden und geflohen werden: Haben also selbst ursach darzu gegeben, daß die  Fürsten in denen sie zu grossen Dingen und hohen Digniteten erheben wöllen,  sich nicht so sehr nach Genugsambkeit der Person, Kunst und Geschicklichkeit  umbsehen, als nach Trew und Glauben, zu welcher sie sich in Nöten gewisser  Danckbarkeit  zuversehen haben, welches  sie denn viel ehe bey solchen Leuten sich zu erlangen vertrawen, die von wegen  ihrer Unverdinglichkeit all ihr Glück und Wolfahrt allein des Fürsten Gnad und  Miltigkeit zuschreiben müssen.
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       Beginn der Druckes der Reformation in der Ausgabe 1615  | 
(Bias:  Weltenteilung)
  Periander hette nicht bald aufgehörte, wie Bias mit  folgenden Worten anfienge:
  Hochweyse Herren, es ist euch sämptlich kundt und offenbahr,  daß die Leute in diß Verderben gerahten sein, eynig und allein deßhalben, daß  sie die heyligen Satzungen verlassen haben, welche ihnen der Allmächtige Gott  damahls vorgeschrieben, wie er ihnen den Erdkreiß zur Wohnung eingegeben hat,  welcher auch umb keiner andern ursach halben die Frantzosen in Franckreich  gesetzt hat, die Spannier in Spannien, die Teutschen in Teutschland, und die  leydigen Teuffel in die Hell gebunden, als nuhr daß also unter allen Nationen  in Welt, ein immerwehrender General Friede möchte erhalten werden. Aber nachdem  die Geldsucht und Ehrgeitz (welche allzeit die Leut in die grausambste Ubelthat  gestürzt haben), die Frantzosen, Welschen, Teutschen, Griechen und andere  Völcker angereitzet haben, in ihre benachbahrte Länder und Provintzen zu  fallen, seynd alle die Unglück entstanden, zu welchem wihr jetzund, und wolte  GOTT, nuhr nicht vergebens Raht suchen, und weil es sich also erhelt, wie dann  es auch niemand in abrede ist, daß Gott der Allmächtige nichts vergeblich  geschaffen habe, sondern daß alle seine Werck grosse Geheimnussen in sich  begreiffen, warumb meinet ihr, daß seine Göttliche May. zwischen Franckreich  und Spannien die rauche und öde Berg Pyraeneos gesetzt habe, zwischen Teutsch-  und Welschland die hohe und unersteigliche Alpen Gebirg, zwischen Engelland und  Franckreich den abschewlichen Englischen Secanahbli, warumb zwischen Africa und  Europa das Mittländische Meer, warumb so viel grosse und breyte Wasserflüsse,  Euphrates, Indus, Ganges, Tigris, Nylus, die Donaw, der Rhein, und viel andere,  als eben darumb, daß ein jedere Nation sich mit ihren Landen solte begnügen  lassen, weil die Strasse und Reysen zu benachbarten Völckern so müselig und  gefehrlich sein. Weil auch seiner Göttliche May. wohl bekandt, daß die schöne  Harmonia des Allgemeinen Friedens würde getrennet, und die Welt mit Unglück und  Elend gefüllet werden, alsbald die Menschen durch ihr Unverschämptheit die  Gräntzen überschreiten würden, so ihnen durch seinen Göttlichen Arm waren  gesetzet worden, hat er ihren Vorwitz destomehr zähmen, und das Werck desto  beschwerlicher machen wöllen, und die er schon gescheiden hatte, mit hohen  Gebirgen, abschewlichen tieffen Klüfften, breyten und hinreissenden Wassern,  unermessentlichen Meeren, dieses hat er nachmals durch viel und mancherley der Sprachen  voneinander gesondert: Dann ohne diß würden sich die Menschen alle eynerley  Sprache gebrauchen, gleich wie die unvernünfftige Thier, so einer Art und Natur  sein, alle auf einerley weyse singen, heulen, und viel plerren. Aber nachdem  der Menschen unruhiger Muht die Berge durchgraben hat, und nicht allein über  die tieffe Wirbel der grossen und schnellen Wasserströhme gesetzet, sondern  auch in eine solche dummkühne Vermessenheit gerahten, daß sie sich selbst mit  Haab und Gut in augenscheinliche Gefahr gegeben, und auff ein klein Holtz  gewaget, auch mit demselben das unendliche und unermeßliche Meer Oceanum  zuüberfahren sich unterwünden, ist auch das Unglück darauff erfolget, daß die  Alten Römer, damit wihr von andern Völckern sagen, welche in gleichsamen  Ubermuht gerahten sein, nicht allein frembde Provintzen, sondern auch ihr  eygene in grund zerissen und verderbet haben, weil sie ihnen an der Herrschafft  über gantz Italien nicht wolten begnügen lassen. Bestehet demnach die Artzney  gegenwertiges übels darin: Erstlich, daß man alle Völcker und Nationen mit  scharpffen Gesetz zwinge, dahin halte, daß ein jedes wieder in sein Vatterland  kehre, und damit man versichert seye, daß künfftiger zeit das übel nicht  wiederumb einreisse, bin ich der meinung, daß durchaus alle Brücken, so über  die grossen Flüß gemacht sein, abgeworffen werden, auch die Strassen durch das  Gebirg verlegt, und die Berg selbst durch Menschen Arbeit noch steiger und  unersteiglicher, als sie von Natur sein, gemacht wurden, und endlich, daß die  Schiffahrt bey harter und abschewlicher Straff verbotten werde, auch niemand  vergönnet sein, nur ein kleine Brücke, damit man über die Wasserflüß fahren  könne, zu zimmeren.
  Biantis Rede wurde wol  fleissig zugehöret, aber doch seine meinung, wie sie examiniret ward, nicht rahtsam  erkand, dann es den Herren Reformatorn wol bewust, ob wohl gleich viel in der  Bäwrischen meinung sein, daß der Haß und Feindschaft, so zwischen  unterschiedenen Nationen im schwang gehen, ihnen von Natur eingepflantzet sein,  daß sich dannoch die sach viel anders verhelt, und daß sie offt mit fleiß von  Fürsten und Herren durch mancherley listige Fünd verursacht werden, welche den  Alten Spruch wohl gelehrnet haben, auch ihnen wohl nutz zu machen wissen:  Trenne es und Regiere. Und weil bey keiner eintzelen Nation etwas vollkommens  in Gesetzen und Gebräuchen gefunden wird, daß man doch leichtlich lernet und  erkennet, da man vieler Völcker Satzungen und Sitten gegeneinander helt, kan  durch Reysen allein die außführliche Klugheit erworben werden: Derohalben  Ulysses so hoch gerühmet wird, welcher wie er viel Länder durchzogen war, also  auch aller derer Völcker Sitten und Gebrauch gesehen, und in gute acht genommen  hatte, zu welchem ende dann die Schifffahrt dem Menschlichen Geschlecht nicht  allein dienlich, sondern auch hochnöhtig, über das, weil die Göttliche May.  nach seiner unendlichen Macht die Welt von einer fast unbegreifflichen Grösse  geschaffen, und sie mit vielen herrlichen und köstlichen Sachen gefüllet, auch  einem jeden Land besondere Gaben außgetheilet: So hat die Schifffahrt eine von  den Klügesten und Keckesten funden, so jemahls durch Menschlichen Verstand  erdacht oder geübet worden, sie deromassen zu sammen gezogen, und gleichsamb  alles in einem Außzug gebracht, daß obgleich wol die Insulen Molneck mehr als  15000. Meilen von Italia gelegen sein, bedaucht dannoch den Italianern, daß die  Gewürtze, so der örter herkommen, in ihren Garten wachsen, wegen der grossen  mänge, in welcher sie durch die Schifffahrt heraus gebracht werden.
(Cleobulus:  Gutes und Böses)
  Also hatte Biantis Gutdüncken ein  ende, und stund darauff alsbald Cleobulus auff, und nachdem er mit einer  tieffen Reverentz, gleichsamb als urlaub zu reden von der Versamblung begehret  hatte, sprach er: Hochweyse Herren, Ich mercke eygentlich, daß wir uns  gegenwertiges Reformation Werck, so an ihm selbst leicht, durch unser  wiederwertige und zum theil wunderbahre und ungereumbte Bedencken und  Gutdücken, nicht allein schwer, sondern auch fast unmüglich machen, und damit  ich in meinem votiren der Freyheit gebrauche, die sich gebüret wegen deß orts,  da wir versamlet sein, auch wegen der sachen Wichtigkeit, so wir unter händen  haben, bin ich gedrungen zu sagen, daß mirs im Hertzen wehe thut, daß ich auch  in unsern mittel Personen stehe, bey welchen der mangel eingerissen, der bey  jungen leichtfertigen und laubdürstigen Gemüthern zu regieren pfleget, welche  sich, wann sie zu Rahtschlägen gezogen werden, vielmehr bemühen, durch newe und  weitgesuchte Fünde ihre spitzfindikeit an den Tag zu geben, als etwas  fruchtbahres und wolgegründtes, so zu erörterung der sach ersprißlich, auch den  Zuhörern dienlich, vorzubringen, dann ihr Herren, wann wihr darauf allein  gehen, wie das Menschliche Geschlecht auß dem Schlamm der Boßheit zu bringen,  darinnen es so schendlich versuncken, was ist es vonnöhten, daß man sich einer  so hochgefehrlichen Chur unterwinde, die Thales gerahten hat, mit dem  Guckfensterlein, warumb solten wihr uns auch der mühseligen Welt theilung in  gleiche portion, die Solon vorgeschlagen hat, unternehmen, also auch Chilonis  sein vorgeben, daß man Goldt und Silber aus der Welt verbannen sol, und Pittaci  anschlag, die Leut zu zwingen, auf dem Pfad der Thugend und Würdigkeit zu  wandlen, auch Biantis, daß man die Berge solle höher und unersteiglicher  machen, als sie von Natur seynd, und das grosse Wunderwerck der Schifffahrt, durch  welches allein des Menschlichen Verstands Hochheit gespühret wird, abschaffen,  seynd diß nicht alles Wunderbahre und Spintisirische , ja ungehewre Vorgeben? Unsers  gleichen Refomatorn sollen vornemlich dahin sehen, wie euch allen bewust, daß  die Artzney, welcher man, die Laster außzurotten, gebrauchen will, leichtlich  könne ins werck gerichtet werden, und daß sie bald und in der stille, ohne  grossen tumult ihre Würckung vorbringe, auch daß sie mit frölichem Muth von  denen, so man reformiren wil, auffgenommen werde. Wofern aber diese Reguln  nicht in acht genommen werden, wachsen die mißbräuche, und wird die Welt viel  ehe deformiert, als reformirt, und das nicht ohne ursach: Dann billich ein  Artzt hoch zu tadlen, welcher einen Krancken wolte eine Artzney vorschreiben,  welche nicht zubekommen, oder deren er nicht geniessen köndte, oder welche dem  Patienten weher thete, und ihn mehr marterte, als die Kranckheit. Sein deßwegen  die Reformatorn hoch verpflichtet, ehe sie die Wunden entdecken, und die Laster  außschreyen, sich zuvergewissern, daß sie ein gutes und heylsames Recept an der  Hand haben, denn ja jederman sagen würde, daß ein Balbierer billich hart zu  straffen, welcher erst die Ader öffnete, und darnach im Hause herumlieffe, und  die Binden suchete, wormit sie zuverbinden: Ist also nicht allein ein  unbedachtsames, sondern auch ein unchristliches Werck, daß man die Leute durch  außbreitung und publicirung ihrer Laster, in ein böß geschrey bringe, und  jederman ins Maul thu, daß die Boßheit so hoch gestiegen, daß Menschliche Hülff  ihr nicht mehr stewren können, deßwegen auch der vornehme Scribent Tacitus,  welcher nie geirret, sondern bey denen, so seine meinung recht einnehmen,  allzeit recht geredt hat, in diesem fall rahtet, daß es viel besser seye, daß  man die Laster, so sich gestärcket und überhand genommen haben, nicht rege, als  daß man zu erkennen gebe, daß man ihnen zu schwach seye: Omittere potius praevalida  et adulta vitia, quam hoc assequi, ut palam  fieret, quibus flagitiis impares essemus. Die so  einen alten und hohen Eichbaum niederlegen wollen, greiffen ihre sach nicht  recht an, wo sie von oben anfangen, die Gibel von den obersten Zweygen mit  Schehren abzuschneiden, wer klüglich handlen wil, wie ich itzt vermeine zu  thun, leget alsbald die Axt an die grössesten Wurtzel: Sage demnach, daß die  gantze Reformation gegenwertiger zeit, in diesen wenig Worten bestehe: Das Gute  belohnen, und das Böse straffen.
(Thales: Obrigkeit  und Untertanen)
  Wie Cleobulus also seine Rede endete, fieng Thales von  Mileto an, dieselbe zu wiederlegen, mit einer solchen Hefftigkeit, daß man wol  mercken kundte, daß es gefährlich seye, dieselben so in Ansehen sein, und für  fromme und hochverständige Leut gehalten werden, zu erzürnen, oder sich ihrem  Gutdüncken wiedersetzen, ob es gleich mit gutem grund beschehen kündte, dann er  mit brennenden Augen, und glüendem Gesicht, also redete:
Hochweyser Cleobule, nicht allein ich, sondern auch alle die  Herren miteinander, deren Gutdüncken ihr also Sophistisch und ungehüet verlacht  habt, waren alle in der Hoffnung, daß ihr durch ewer sonderbahre Klugheit,  einen Newen und Wunderthugendtreichen Bezoar, etwan  auß Indien gebracht hettet, der zu gegenwertigem Schaden heylsamblich köndte  gebraucht werden. Aber anstatt einer leichten Artzney,  so ihr versprochen, habt ihr und vorgeschlagen, ich will nicht sagen die  schwereste, sondern die allerunmüglichste, so die Praesidenten in fürwitzigen  Lügen dichten, Cajus Plinius und Albertus Magnus hetten erdencken oder  erspintisiren können. Lieber Cleobule, es ist keiner allhie gegenwertig, der  auch ohne ewer Erinnerung nicht gewust hette, daß offtgemeldtes  Reformationswerck fürnemblich darinn bestünde, daß man den Bösen straffe, dem  Frommen aber Wiedergeltung stiffte: Aber ich frage, welches in diesen unsern  zeiten die wahrhafftige Fromme oder Böse sein, und möchte wol von euch  verstehen, ob ihr solch ein scharffes Aug gehabt, daß ihr eintzig und allein  dasselbe sehen und erkennen köndten, daß bißhero kein lebendiger Mensch hat  thun können: Nemblich die rechte und warhaffte Frömbkeit von der falschen und  geferbten zu unterscheiden, wisset ihr nicht, daß die listigen tücke unser  heutigen Gleißner so hoch gestiegen sein, auch eine solche vollkommenheit  erreicht haben, daß offt die lössesten und  arglistigsten Tropffen, für fromme und ehrbare Leut gehalten werden. Hinwieder,  die so eines  lautern und eines reinen  Gemühts sein, und in ihrer frommen   Einfalt leben, ohne Gepräg oder eintzigen Betrug und Heucheley, werden  offt einer ärglichen Hinlässigkeit beschuldet: Männiglich liebet von Natur die  Frommen und hasset die bösen, Insonderheit aber die Fürsten, als welche nicht  allein die Eingebung der natur hierzu reitzet, sondern auch die Betrachtung  ihres eygenen Nutzens, und daß bißweilen Heuchler und Fuchsschwäntzer, und  dergleichen arglistige verschmitzte Lauren,  von Fürsten werden herfür gezogen und erhaben, die Frommen aber gedrückt und  hinden gestellet, geschicht nicht auß der Fürsten willkühr, sondern daß sie in  der Wahl der Person betrogen werden. GOtt allein kennet und belohnet die rechte  wahre Frömbkeit, wie er auch gleichfalls die Sünde entdeckt und straffet. Dann  er allein siehet ins tiefeste und innerste   theil des Hertzens, wie dann wihr auch hetten thun können, durch mittel  des Guckfensterleins, welches ich vorgeschlagen, wo nicht der Feind  menschliches Geschlechts, sein Unkraut gesähet hette, in das Land, darauff ich  den Saamen einer so heylsamnen Erinnerung geworffen hatte: Aber newe Satzungen,  wie heylig und gut sie immer sein, werden allzeit durch die angefochten und  gehindert, so sich wegen ihrer Laster der Straffe zu besorgen haben, auch der  Heuchler tücke ihre eygene Schande mit dem schein des gemeinen besten zu  bementelen, ist nicht heut erst auffkommen, wird auch mit heute nicht auffhören.  Taletis einreden gefiel der gantzen Versamblung, welche alsbald ihre Augen auff  Periandrum warff, ihme hierdurch anzudeuten, daß sie sein Gutdücken auch zu  hören begierig, deßwegen er also anfieng:
(Periander: fürstlicher Geiz und Übermut)
  Hochweyse Philosophen, die  mannigfaltigkeit der fürschläge,so allhier vorgebracht worden, stärckt mich in  meinem alten Glauben, daß die vier fünfften theil der Patienten sterben  deßwegen, daß die Artzte ihre Kranheit nicht recht erkandt haben, welche sich  doch etzlicher massen dadurch entschüldigen können, daß man leichtlich irret in  den sachen, welche nur durch gissungen müssen  erkandt werden: Aber daß wihr, welche Ihr May. selbst als daß Saltz der Erden  herfür gezogen hat, nicht finden können, die wahre ursach der Verwirrung, damit  gegenwertige zeit beladen, ist uns desto schimpflicher, dieweil die Kranckheit,  darumb wihr fürkommen sollen, nicht in den andern verborgen liegt, sondern  augenscheinlich, und jederman offenbar ist, auch mit lauter und heller Stimme  ruffet und schreyet, nach einer heylsamen Reformations Artzney, und dannoch  sehen mich alle die Anschläge, so bißhero vorgebracht worden, also an, als wolte  man das Pflaster nicht auff die Brust legen, so außgefressen und voller Fisteln  ist, sondern auff den Arm, welcher gesund und unbeschädiget. Aber liebe Herren,  weil es nicht allein Ihrer May. Befehl ist, sondern auch die erhaltung unserer  Reputation uns darzu dringet, und gleichfalls das mitleyden, so wihr billich  mit gegenwertiger elender zeit tragen solllen, solches erfordert: So bitte und  ermahne ich euch alle, last uns die Larven vom Gesicht wegthun, und die  Ehrerbietung, damit wir einander begegen, hindan setzen, und frey herauß reden.
  Es gehet ein grosse Unordnung  und Unrichtigkeit jetzunder im schwang, welche schon vorlängst in der Welt  regieret hat, und wolte GOTT, daß sie nicht auch noch in künfftigen zeiten die  überhand behielten, nemblich, wann die grossse Herren und hohe Potentaten,  durch ihr Laster alles haben unter sich, und über sich gekehret, daß man  alsdann allgemeine reformationes anstelle, und dem übel abzuhelffen vermeine,  in dem man der eintzeln und privat Personen Missethat straffet. Ich bin nicht  in abred, daß Schrifftverfälschung, Geitz, Hoffart, Heucheley, und dergleichen  Unthugend, so sich bei privat Personen erzeugen, nicht grosse und schendliche  Laster sein, allein das sage ich, daß sie nicht ursach sein, an gegenwertigen  bösen Zeiten und Zuständen, dann weil durch die heylsame Rechtsatzung alle  dergleichen Mißhandlung und Unthaten gar hart bestrafft werden, siehet man, daß  das Menschliche Geschelecht sich den Gesetzen so gehorsamlich unterwirffet, und  unter dem Gerichtszwang gleichsamb als zittert, daß etzliche wenig  Schuldtheissen und Richter, viel hundert tausendt Menschen im zaum halten,  dahero man dann auch zu Friedens zeiten so sicher und geruhig lebet, daß der  Reiche ohne seine grosse gefahr den Armen nicht unterdrücken kan, und jederman  das Geld öffentlich in der Hand , nicht allein auff freyer Landstrassen,  sondern auch in den dickesten und finstersten Wäldern, ohne furcht tragen mag:  So bald aber der gemeine Friede auffgehaben wird, geben sich die gefehrlichsten  mängel, so in der Welt sein, an den Tag, müssen deßwegen bekennen, daß der  rechte Stein des Anstosses, dardurch wihr zu dieser zeit geplaget werden,  dieser sey, daß die Fürsten durch Geitz und Ubermeht getrieben, ihnen  einbilden, es habe ihr Schwerdt einen gewissen und außtrücklichen Pfandschilling, an allen dero Fürsten Ländern, so nicht so  mächtig sein, als sie. Diß hat allein Neyd und Haß, allerley Argwohn und  Verdacht in die Welt gebracht, auch sie deromassen mit Blut besudelt, daß es  scheinet, als wenn die edlen Creaturen, den Gott ein Menschen Hertz und ein  Leutseliges und Geselliges Gemüht gegeben hatte, weren zu wilden und wütenden  Thieren worden, welche mit allerhand grausamkeit gegen einander toben, und  erbarmlicher weiß einander zureissen, und das allein dahero, daß durch solcher  Herren Ehrgeitz der allgemeine Friede in grausame Krieg ist verändert worden,  die Thugend in Laster, die Liebe und Zuneygung zum Nechsten, in jämmerlichen  Neyd und Haß, und da ein Löwe alle andere Löwen für Löwen erkennet, befindet,  es sich doch bey den Leuten anderst, daß den Engelländern ein Schottländer, den  Teutschen ein Italianer, den Spanniern ein Frantzoß, oder andere Außländer  nicht ein Mensch oder Bruder zu sein bedüncket, wie er in der Warheit ist,  sondern viel ehe ein Thier, von einer frembden Art und natur: Also wird wegen  des unersättlichen Ehrgeitzes der hohen Potentaten, die Gerechtigkeit durch die  Gewalt übermannet, und das Menschliche Geschlecht, so zuvor unter guten und  heyligen Gesetzen gebohren, aufferzogen und regiert ward, ergrimmet grausamer  weiß wieder sich selbsten, und lebet nach der art der wilden Thier, bey welchen  all zeit das stärckere die schwachen übertäubet. Diebstal ist ein heßlich  Laster, über alle Laster, und so hefftig von den Rechten verfolget, daß wann es  nur an einem Ey begangen wird, werden dieselben, so es begangen, hart  gestrafft, und an ihren Ehren anrüchig gemacht, dennoch hat die schendliche  Begierde zu dominiren, die Fürsten so hoch verblendet, daß sie es nicht für ein  Bubenstück halten, durch Gewalt oder List und Untrewe andere Herrschafften zu  überfallen und an sich zu bringen, sondern vor eine edle und löbliche  Handthierung, welche allein Königen wol anstehe, und Tacitus, ein Meister aller  listigen Grifte und gottlosen Tücken, so in Regierungssachen gebraucht werden,  damit er der Fürstern Huld erwerben müchte, hat sich nicht geschewet,  öffentlich außzugeben, daß bey grossen Herren die Billichkeit durch die Gewalt  und Macht geschätzet werde, und daß seine beschützen, einer privat Personen werck  sey, den Königen aber gebühre umb fremde Herrschafften zu streiten. Allhie  frage ich, liebe Herren, wenn dem also ist, wie es alle Welt weyse Leute dafür  halten, daß die Underthanen der Fürsten Affen sein, wie es müglich sey, daß bey  solchen grossen mängeln, so man an der Obrigkeit spüret, die Underthanen ein  ruhiges und thugenhafftes Leben führen können.
  Einem mächtigen Potentaten sein  Land zunehmen, ist ein schwere sach, und die nicht allein von einem allein kan  vollnzogen werden, seynd deßwegen die Fürsten, damit sie ihre ungehewre  Anschläge ins werck richten möchten, von Ehrgeitz dahin getrieben worden, daß  sie grosse anzahl gewapneter Leut zusammen gebracht haben, und damit die nicht  kleinmütig würden, auß furcht der schande, so darauff zuerfolgen pfleget, wann  man seinen Nechsten das seine nimpt, Leute erwürget, Städte in Brandt stecket,  haben sie den schendlichen Nahmen eines Diebes verändert, in den Nahmen eines  mutigen Soldaten, und den Nahmen eines Räubers, in den Nahmen eines tapffern  Capitänen. Welches dann desto abschewlicher ist, weil auch die frommem  Fürsten genötigt werden, zu selbst mässigen  Unthaten, wofern sie anderst ihr Land und Leut von gemeldten Raub Vögeln  beschützen wollen, welcher Länder sie einnehmen, anfänglich nuhr zu dem ende,  entweders das ihrige desto baß hierdurch zuversichern, oder daß jene, so ihnen  geraubet worden, wiederumb zu erobern und sich zu rechen, werden aber  allmählich durch den Gewinn gelocket, und angereitzet, biß sie sich endlich  auch gar auff diese Handthierung geben, und ihren Nachbarn ihre Herrschafften  abdringen, welches sie zuvor eine gantze Tyranische sach zu sein bedüncket:  Dauß ist erfolget, daß man rauben und stehlen, und andern das ihrige nehmen,  hat für ein hochnöthige und rühmliche Kunst gehalten, und der Menschliche  Verstand, welcher darzu gebohren war, daß er die wunderliche Wirckung und Eygenschafft  des Himmels und der Erden, betrachten und erwegen solte, hat sich mehr  beflissen, allerhand heimliche Anschläg und listige Wegsfünde zu erdencken, und  die Hand, welche die Erde, darvon wihr uns ernehren müssen, bawen solte, übet  sich nuhr, daß sie die Waffen wol möge führen, andere Leut damit zu erwürgen.
  Dieses ist die stinckende Wunden,  die das Menschliche Geschlecht schier gar zum Todt gebracht hat, die rechte  Artzney aber, damit sie mag geheylet werden, ist dies, daß die Fürsten, so  solcher Unordnung Anstiffter sein, sich bessern, auch mit dem Reichthumb, Macht  und Gewalt, so sie itziger zeit besitzen, ihnen genügen lassen, denn es mich ja  ein wunderseltzame sach zusein bedünckt, daß man bißweilen ohne eintzige Einred  zu herrschen und zu regieren habe. Ihr wisset alle, liebe Herren, daß GOTT der  allmächtige die Fürsten, den Menschen zu nutz und frommen, eingesetzt hat, ist  deßwegen meine meinung, es sey nicht allein dienlich, daß man die Begierde, so  Fürsten gemeinlich haben, ihren Nachbarn das ihrige abzudringen, im zaum halte,  sondern auch hochnöthig, daß man von grundauff außrotte, die schendliche  meinung, wie obgemeldet, welche gleichsfalls bey vielen sich findet, daß sie  bedüncket, ihr Schwerdt habe einen Pfandschilling außgethan über alle Länder,  deren es köndte mächtig werden, sehe also für rahtsamb an, daß man für allen  dingen die Herrschafften und Königreich, in gewisse Gräntzen einfasse, welche  keinem Fürsten zu überschreiten vergönnet sey. Sintemal es unmüglich, daß  übergrosse Regimenter können wohl bestellet sein, und mit solchem fleiß, guter  Ordnung und Gerechtigkeit regieret werden, wie es beydes der Obrigkeit Ampt,  und der Underthanen Nothdurfft erfordert, wie man auch nie keine grosse  Monarchiam gesehen hat, in welcher nicht bald grosse Unrichtigkeiten und Verwirrungen  entstanden, wegen der Oberherren Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, wodurch  sie in weniger zeit hernach gar getrennet und zu grund gegangen: Dieses des  Periandri meinung wiedersprach Solon, folgender massen:
(Solon:  Gottes  Gnade)
  Lieber Periander, die Ursach so  ihr ungeschewet und mit freyer Zungen angedeutet habet, ist von uns nicht auß  Unwissenheit, sondern auß hochwichtigen Bedencken verschwiegen worden: Sobald  die Welt angefangen hat, sich zuvermehren, ist auch der Mißbrauch, dessen ihr  gedacht, eingerissen, Nemlich, daß der Stärckere den Schwachen unterdrücket:  Nun ist euch bewust, daß nie kein verständiger Artzt sich unterfähet, einem so  blind gebohren, das Gesichte wieder zu bringen, ich sage diß deßhalben, daß es  fast einerley weyse geschaffen ist, mit dem Artzt, so ein kranckes Aug heylen,  und mit den Reformatorn, so die eingerissene Mißbräuch abschaffen sollen,  deßwegen gleich wie ein Artzt so zu anfang und sobald das Auge hat angefangen  zu rinnen, darzu erfordert ist, die Chur für die Hand nihmet, und Fantinessen  und anders so darzu dienlich verordnet, demselben aber nicht Raht zugeben weiß,  der den schaden einreissen, und das Aug sich schliessen lassen, und die zeit  versäumet, da ihme hette können geholffen werden, sondern muß ihn blintzelnd  und einäugig bleiben  lassen: Also solten  auch die Reformationis Artzneyen vor die Hand genommen werden, alsbald die  Mißbräuch  beginnen zu ereugen, wann sie  aber einmahl gefußt haben, und bey den Leuten eingewurtzelt sein, ist es viel  rahtsamer, daß man das übel dulde, als daß man unzeitige mittel brauche, und  sich in gefahr stellen, grössere und beschwerlichere Unordnung zuerregen,  gleich wie es viel mehr zu rahten ist, deme der einen alten Staer im Auge hat,  dieselbe mißgestallt zubehalten, als den Staeren mit grosser Lebensgefahr  stechen zu lassen.
  Ueber das seynd wir von Ihrer  May. allhier zusammen gefordert, daß wihr mit gebührlicher bescheidenheit der  privat Personen Unthugenden examiniren, und nicht der Fürsten und Herren  mängel, von welchen ein Fürsichtiger entweder stillschweigen, oder nach ihrem  Gefallen reden soll, denn weil sie keinen Oberherren in dieser Welt erkennen,  auch von keinem die Lehn empfangen, muß man es billich, wo etwas an ihnen zu  reformiren, Gott dem Allmächtigen heimstellen, als welcher alleine ihnen diesen  vorzug gegeben hat, daß sie gebieten sollen, uns aber darumb ihnen zu  gehorsamen, können also die Underthanen der Obrigkeit mängel nicht reformiren,  als durch ein frommes, heyliches, unsträfliches Leben, dann der Fürsten Hertze  stehet in Gottes Hand, und deßwegen wann sich die Völcker gegen seine Göttliche  May. versündigen, erwecket er inen Pharaones, wie er auch hinwieder der Fürsten  Gemüter lindert, und sie mit allerhand nohtwendigen und herrlichen Thugenden segnet,  wann die Leute durch Frömbkeit, Trew und Gehorsam, sich der Göttlichen Gnad und  Hülff würdig machen. Mit diesen Worten, so von der gantzen Versamblung gelobet  worden, beschloß Solon seine Rede, und Cato fieng hinwieder also an:
(Cato: neue Sintflut)
  Hochweyse Griechen, ewer  Gutdüncken seynd billich mit grosser Verwunderung gehöret worden, habt auch  durch dieselbe ewere Reputation nicht allein erhalten, sondern bey männiglich  gemehret, dann die Laster und faule Wunden, damit gegenwertige zeit geplaget  ist, hette nicht besser nach dem Leben können bezeichnet und abgerissen werden,  als von euch geschehen ist, seynd auch ewere meinung, welche von höherer als  Menschlicher Klugheit hergeflossen, nicht darumb abgelehnet worden, als wenn  sie nicht vortreflich und durchauß vollkommen gewesen weren, sondern vielehe  deßwegen, daß das böse sich so tieff in die Adern, und in Marck und Beine  gesetzet hat, und die Menschliche Complexion so sehr geschwächet, daß die  lebhaffte Krafft der langwirigen und schweren Kranckheit nicht mehr wiederstand  thun kan, darauß zuersehen, daß wir einen schwindsüchtigen zu heylen haben, der  schon Eyter speyet, und dem die Haar außgehen, liegt uns deßwegen ein sehr  beschwerlicher Handel ob, und scheinet, es gebe uns eben als den Artzten, so  Patienten haben, die von vielen und unterschiedenen zufällen geplaget werden,  welche wenn sie eins theils durch glüende Artzneyen der entzündten Leber zu  helffen vermeinen, anderseyts hinwieder den Magen schwächen, diß macht und  gegenwertiges werck so schwer, daß wihr ihnen nicht rahten können, denn der  Laster, damit beydes die vorige und gegenwertige zeit behafftet ist, so viel  als Stern am Himmel, und Sand am Meer seynd, auch so unterscheiden und mannigfärbig  als die Blumen in den Wiesen. Trage derowegen keine hoffnung  zu gegenwertiger Chur, glaube auch nicht, daß  der Krancke durch Menschliche Hülf genesen könne, sondern bin der Meinung, es  sey hochnöhtig, daß man zuflucht zum Gebett, und zu der Hülffe, welche man in  dergleichen eussersten Nöthen bey der Göttlichen Barmhertzigkeit zu suchen und  zu erlangen pfleget.
  Liebe Herren, der rechte Leytstern,  der in wichtigen sachen die Leut zum sichern Port führet, ist, daß man sich in  gegenwertigen Beschwernussen mit verflossener zeit Exemplen berahtfrage, dann  wie Tacitus saget, wenig können durch eygene Klugheit das Gute vom Bösen, das  Fruchtbare vom Schädlichen, unterscheiden, der mehrer theil regieret sich nach  ander Leut Exempel. Wann wir diesen Raht folgen wolten, wie wir billich thun  sollen, so werden wihr befinden, daß wie die Welt vor diesem in gleiches übel  gerahten, dasselbe nicht durch Menschen Gedancken ist abgeschaffet worden,  sondern durch die Göttliche Allmacht, welche das Menschliche Geschlecht, so  voller abschewlicher und unheylbahrer Sünden war, mit einer allgemeinen  Wasserfluth von der Welt hinweg genommen hat, und ist gewißlich, wann in einem  Hause die Mawren und das Dach bawfellig ist, das Fundament deromassen schwach,  daß man sich gewiß zuvermuthen, es werde alles über einen hauffen fallen, oder  ein Weinbergk dermassen in abgang kommen, daß die Stöcke gar keine gute  Schößling mehr bringen, die da köndten gelegt werden, so ist es viel rathsamer,  man reisse das Hauß nieder, und grabe die Stöcke auß, und bawe es beydes von  newem, als daß man mit grosser mühe die alten wankenden Mawren bessere und  untersetze, oder die Weinstöcke bawe, die nichts bringen als wilde Reben. Weil  nun der Menschen Leben dermassen durch die Sünde verderbet ist, daß es durch  Menschliche Hülff nicht kan wieder zu seinem alten heylsamen Stande gebracht  werden: So bitte ich die Göttliche May. von grund meines Hertzens, und rahte,  daß ihr deßgleichen auch alle mit einander thut, daß sie auffs newe eröffne die  Fenster des Himmels, und mit newen Wasserfluthen die Erde bedecke, und sich  ergrimme wieder das Menschliche Geschlecht, und die unheylbahren Wunden mit dem  Pflaster des Todts verbinde, doch daß es segenmässig werde, daß alle Knaben,  die nicht 20. Jahr alt seynd, in einem newen Kasten erhalten würden, das  Weibliche Geschlecht aber, was Alters sie sein, alle dermassen hinweg gerissen  und verderbet, daß nichts  davon  überbleibe, als die verfluchte Gedechtnuß.
  Bitten auch, daß, wie seine  Göttliche Allmacht die Bienen, Fische und andere mehr Thiere, mit sonderbarer  Barmhertzigkeit angesehen, in dem daß sie sich vermehren, und Geschlechte  zielen können ,ohne zuthun eines Weibes, daß sie auch das Menschliche  Geschlecht der Gnaden würdigen wolle, denn ich des gäntzlich vergewisset bin,  daß so lang Weiber in der Welt bleiben, die Leut sein werden wie eine Heerde  elender und müheseliger Thiere.
  Es ist nicht wohl außzusprechen,  der grosse Unmuth, den die gantze Versamblung ob dieser Rede truge, kahm  ihr auch das ungehewre vorbringen von der Wasserfluth so abschewlich vor, daß  sie alle miteinander zur Erde fielen, und mit auffgehoben Händen den  Allmächtigen Gott andächtig bahten, daß er das liebe werthe, Weibliche Geschlecht erhalten wolte, auch die Welt vor der newen  Wasserfluth behüten, oder sie nuhr über diese feinselige Leute kommen lassen,  denn in solche ungereumbte und unbesunnene Köpffe ungehewr und auß den Hespen  gehobene Gemühter, eygensinnige und spintisirische Gehirn, billich auß der Welt  augerottet würden, als welche in ihre eygene Person, thöricht verbleibt, ohne  grund viel auff sich hielten, in ihrem innwendigen aber anderst nichts wären,  als unsinnige wütende Leute, der Köpffe voller Ehrgeitz und Hoffart, ohne maß  und ende, und da ja das Menschliche Geschlecht wegen seiner Missethat, der  Göttlichen Gnade und Barmhertzigkeit unwürdig, daß er es straffe, mit Hunger,  Krieg, Pestilentz, oder auch gar die grausame Ruhten brauche, deren Seneca  erwehnet, nemblich die Bawren reich zu machen, aber daß er sie ja gnädig  behüten wolle, daß solche auffgeblasene und feinselige Schnarcher nicht zum  Regiment kommen, denn weil in denselben nichts wäre, als ein starcker Eyfer,  neben einem grossen Unverstand, würde die Welt ohn zweiffel zu trümmern gehen  müssen, wo die sie wütigen und ungehewren Anschläge, deren ihr Kopff voll, solten  ins werck richten.
(Seneca: Mängel des  Verfahrens)
  Wie Catonis Gutdüncken so übel  ablieffe, fieng Seneca an:
  Ihr Herren, ob wohl ewer viel  gerahten haben, man solte in gegenwertigem Werck einen ernst brauchen, und mit  der schärffe verfahren, bin ich doch eines andern gesinnet, und halte gäntzlich  dafür, eine gelinde Sanftmuth diene vielmehr zur sache, insonderheit weil das  übel so groß, und gefährlich, und deßwegen billich solte mit leichter Hand  verbunden werden, gleichsamb einer Wunden, da der Crampf zugeschlagen, dann es ja einem  Artzt sehr schimpflich sein würde, wann der Krancke die purgation bey sich  behalten, und sterben solte, worauß jedermann schliessen würde, daß die Artzney  ihme were schädlicher gewesen, als die Kranckheit. Es ist eine vermessenheit,  daß man von einem eussersten alsbald zum andern schreiten wil, und nicht zuvor  durch die mittel gehen, kan solche schleunige und erzwungene Veränderung mit  auffstehen.
  Demnach nun die Welt von etzlich  tausendt Jahren her allmächlich in gegenwertige Schwachheit und läydigen  Zustand gerahten ist, ist nicht allein unverständig, sondern gantz und gar  unsinnig, der sich unterstehet, sie in wenig Tagen zu ihrer alten Gesundheit zu  bringen, eine Person, so dick und feist gewesen, hernach aber durch eine  lanwirige Kranckheit ist außgezehret worden, würde ohne zweiffel zerspringen  müssen, wann sie in der ersten Wochen, da sie angefangen gesundt zu werden,  sich unterstehen wolte, durch überflüssiges Essen und Trincken zu ihrer voriger  Feiste zu kommen, welche sie doch glücklich erreichen möchte, wofern sie neben  mässiger Speise dieGedult haben wolte, welche alle verworrne Sachen zu gutem  ende bringet, denn die so lange zeit abgenommen haben, müssen sich auch  allgemach wieder holen: Uber das muß der Reformatorn Stand und Qualitet wie  auch dero so man reformiren will, wol in acht genommen werden. Wir Reformatorn  seynd alle miteinander Philosophi und Gelehrte, wann nun die, so sollen  reformirt werden, auch alle Buchhändler, Buchdrucker, Pappiermacher weren, oder  mit Dinten und Schreibfeddern und dergleichen sachen , so zum studieren  gehörig, handleten, kündten wir leichtlich ihre mängel andeuten und endern,  aber wo wir anderer Leut Handthierung vor die hand nehmen, und uns unterstehen,  dieselben zu reformiren, werden wir gröber Fehler begehen, auch mehr von der  Welt bespottet werden, als jener Schuster, der sich unterstunde, von Farben zu  urtheilen, und Apellis Gemählde zu tadlen.
  Ich muß allhie eines mangels  gedencken, dem wihr Gelehrten gemeiniglich unterworffen, dann sobald wihr vier  Cujus in unser Gehirn gebracht haben, bilden wihr uns ein, wir seyen Hochweyse  Leute, und verstehen alle ding, werden aber nicht gewahr, so bald man uns ein  wenig von unserm Mist führet, und auff andere sachen bringet, als die wir  gewöhnlich in unsern Büchern lesen, daß wihr so ungereumbte dinge vorbringen,  daß man sie möchte mit Peitschen außhawen: Ich sage diß deßwegen, daß der  Reformationen nicht mehr zu wieder oder hinderlich ist, als wann man gleichsamb  im finstern darinnen wandelt, welches geschehen muß , wann die Reformatorn  nicht eygentliche und gewisse Kunden haben, der Laster und Gebrechen derer  Personen, so sollen reformirt werden, die ursache ist am Tage, denn so bald  die, welche man reformiren wil, mercken, daß ihre mängel, den Reformatorn nicht  wol bekandt sein,, beharren sie nicht allein darinnen, sondern werden auch hartnackig  und halsstarrig, und damit ich desto klärlicher darthu, daß ihme also sey, wie  ich gesagt hab: Wer ist doch unter uns allen, liebe Herren, der wisse der  Notarien, mancherley Schrifftverfälschungen, der Advocaten Außflüchte, der  Richter heimliche Practiken, der Procuratorn Verwirrung, der Apotecker tücke,  der Schneider Dieberey, der Fleischer Räuberey, und viel anderer Handwercker  Schelmenstücklein? Und demnach  sollen  wihr allen diesen mängeln vorkommen, meinet ihr nicht, wann wihr das werck  angreiffen, würden, und uns der sachen unterwinden, die so ferrn sein von  unserer Possession, daß wihr gleichsamb sein würden, als ein hauffe Blinden,  die sich bemühen ein Faß zu zustopffen, das voller Ritzen ist, und den Wein an  enden durchrinnen lassen.
  Hierauß könnet ihr klärlich  sehen, daß die Reformationssachen   alsdann wohl fortgehen, wann der Schiffmann von Winden redet, und der  Soldat seine Wunden zehlet, der Schäffer seine Schaafe, und der Ochsenhirt  seine Ochsen, daß wir wollen außgeben als wüsten wir alle Ding, ist eine Vermessenheit,  auch daß wir uns wolten einbilden, als fünden sich in einem jeden Stande nicht  drey oder vier fromme Leute, welche GOttes Gebott, und ihren ehrlichen Nahmen  in acht nehmen, ist ein öffentliches schmähen, und ein unbesonnes Urtheil. Bin  derowegen der meinung, daß man auß jedem Stande vier fromme und verständige  Leute anhero beruffen, und daß ein jeder von denen, seine Handthierung  reformiren, daß wann ein Schuster über Schuh und Pantoffeln ein Urtheil fällen  wird, ein Schneider über die Kleider, ein Apotecker über Salben und Pflaster,  ein Höcker über Häring und Späck, alsdann werden wir können eine Reformation  zusammen bringen, und publiciren, welche uns zu Ehren, und gegenwertiger zeit  zu nutz und frommen gereichen möchte.
  Ob wol Senecae meinung  hochgelobet ward, von Pittaco und Chilone, welche auch, wie sie sahen, daß die  andern anderst gesinnet waren, davon protestirten für GOtt und der Welt, daß  man in gegenwertiger Reformationssache keinen bessern weg treffen kündte, als  den Seneca vorgeschlagen hatte, so legten sich dannoch die andern hart  darwieder, und schien, als ob sie dieser Vorschlag noch unannehmblicher und  unträglicher bedeuchte, als das ungereumbte Vorgeben Catonis, sagten deßwegen  mit grossem Eyver, daß sie nicht allein mit Verwunderung, sondern auch mit  Unmuhte vernehmen, daß er Ihre May. so wenig respectire, und andere in den  Reformations Raht ziehen wolte, da doch Ihre May. ihnen allein das werck  anbefohlen, und sie für Leute gehalten, die zu gegewertigem Handel nicht allein  nach Nohtturfft, sondern auch mit übermasse, an Witz und Verstand versehen  weren, daß es kein weyser Raht were, die allgemeine Reformation von entdeckung  ihrer eygnen schanden anzufangen, dann alle die Anschläge, so dessen der sie  gegeben ansehenund Credit schwächen, hetten nicht das gehör und authoritet, von  welcher sie doch gleichsamb als von einer lebhafften Krafft musten zum  glücklichen fortgang getrieben werden.
  Solte auch er, welcher da were als aller Lateinischen  Scribenten Witzpfleger nicht mit einer so milden Freygebigkeit verfahren, in  Jurisdictions- und Hochheit sachen, in welcher man noch weniger als in der  Liebe einen Gesellen leyden kan, wegen welcher man  auch mehr,  als wegen seines eygen Weibes  zu eyvern pfleget, daß weyse Leut in dem allzeit eins gewesen weren,daß zwantzig  Pfund Bluts auß der vornembsten Ader im Leibe gelassen, wohl angewandt weren,  wann dadurch nur eine untze Jurisdictionis Hochheit kündte erhalten oder  erworben werden, daß derselbe, der das Schwerdt beym Kopff hette, und es seinem  Feinde gebe, darnach bey der Spitzen wieder von ihme nehmen müste, gewißlich an  der Kranckheit lege, die man mit Nießwurtz zu curiren pfleget.
  Nachdem diß alles so vorgebracht, waren die  versambleten Herren alle miteinander sehr bestürtzet, als welche sahen, daß  nunmehr weil Senecae Vorschlag auch verworffen war, das Reformationswrck gar in  Brunnen gefallen wäre, denn zum Mazzonio, als einem newen angehenden Manne,  hatten sie kein Hoffnung, daß er etwas, so nuhr etzlicher massen zur sachen  dienlich, vorbringen würde, und obwol Mazzonius auß vielen anzeigungen dasselbe  merckete, entfiel ihme doch deßwegen der Muht nicht, sonder redete  unerschrocken also: 
(Mazzonius: Patientenbefragung)
  Hochweyse Herren, ich bekenne  es, daß ich zu gegenwertiger Handlung von Ihrer May. gezogen bin, auß Gnaden,  und nicht wegen meiner sonderbahren Kunst und Geschickligkeit, erkenne auch,  daß in einer so Thugendreichen Zusammenkunfft es mir gebühre, mich viel ehe der  Ohren, als der Zungen zugebrauchen, als einer der lehrnen und schweigen sol,  und zwar, ich hette in andern sachen mit meiner Rede nicht außtretten dörffen,  aber weil von Reformation gehandelt wird, und ich erst newlich auß der Welt  kommen, da man von nichts anders mehr tractirt, als von Reformatorn und  Reformirung, solte billich in dieser materia, dern ich so lesig und durchgangen  jedermann schweigen, und mich reden lassen, denn ich mich rühmen darff, daß ich  in dieser Mathematic ein rechter Euclides bin.
  Ihr Herren, ich bitte umb Verzeyhung, daß ichs  sage, ihr seyd mir in einer meinung alle vorkommen, gleichsamb als etzliche  unverständige Medici, die ihre zeit in Schulen zubringen, und sich mit  disputiren plagen, sehen aber den Krancken nicht, hören auch nicht von ihme die  Histori seine Kranckheit. Wihr seynd hieher beruffen, daß wir gegenwertiges  seculum curiren, und ihme helffen sollen, von den gefährlichen Schwachheiten,  damit es so schendlich beladen, hie seynd wihr alle beschäfftigt gewesen, und  unser Hirn gebrochen, wie wihr möchten die Ursach, und dann eine heylsame  Artzney dieser Kranckheit finden, und ist keiner so geschickt gewesen, der den  Patienten besehen hette: Derwegen liebe Herren, so meine ich also, man lasse  seculum hieher kommen, und frage es selbsten von seiner Kranckheit, entdecke  auch und besehe die verletzten Glieder, also wird uns die Chur leicht sein, von  welcher ihr itzt alle hoffnung verlohren habet.
  Diese Erinnerung gefiel den  Herren dermassen, daß sie alsbald befohlen, man solte das Seculum vorfordern,  welches auch von stund an von den vier Zeiten des Jahrs auff einem Sessel in  den Pallast hinein getragen ward.
  Es war ein Mann alt von Jahren,  aber doch einer so frischen und starcken Complexion, daß es scheinet, als ob er  noch hette viel hundert  Jahr zu leben  gehabt, allein war er ängbrüstig, und klagte sich allezeit mit einer gar  heysern stimme, welches die Herren miteinander sehr wunder nahme, fragten ihne  demnach was ihn also plagte, da er doch im Gesichte eine schöne farbe hette,  welches eine anzeigung, daß die natürliche Hitze kräfftig were, auch der Magen  gut, und daß sie sich zu erinnern wüsten, vor hundert Jahren, da er gar eine  böse farbe gehabt, gleichsamb als wenn er were mit der Gelbensucht befallen,  hette er dennoch frisch herauß geredet, were auch an Kräfften viel stärcker  gewesen: Betten, er möchte seine Krankheit frey entdecken, denn sie ihn  berufen, ihn davon zuentledigen.
  Auff diß der Herren Vorbringen,  antwortet Seculum also:
  Ihr Herren, bald nach  meinerGeburt bin ich befallen mit den Kranckheiten, die mich jetzunder plagen,  die gute farb aber im Gesicht kömpt mihr daher, daß mich die Leute angestrichen  und geschmückt haben, meine Kranckheit ist gleich dem A. b. c.  und zulauff des Meeres, welches allzeit dasselb  Wasser in sich behelt, ob es gleich zu gewissen zeiten wächset und wieder  ableufft, solche veränderung befinde ich bey mihr auch, und wenn ich ein gutes  Angesicht  und schöne farb von aussen  habe, so ist die Kranckheit inwendig, wie ich sie dann jetzund befinde, wenn  ich aber böse farb und verfallendes Angesicht habe, denn ich bin inwendig  gesund: Wo ihr aber zu wissen begehret, was es eygentlich für Kranckheiten  sein, die mich also martern, so ziehet mit diesen schönen Rock auß, mit  welchem  die Leute einen heßlichten  todten Leichnam bekleidet haben, sehet mich nackend und bloß, wie mich die  Natur erschaffen hat, so werdet ihr erkennen, daß ich bin ein lebendiges Aaß,  etc.
  Hierauff traten die Herren  alsbald zu, und nachdem sie ihme abgethan, sahen sie, daß der arme Tropff über  seinem gantzen Leibe vier finger dick grindt hatte, der ihne außzehrte, liessen  derowegen Scheermesser herbringen, den Grind damit wezuschneiden, aber sie  befunden, daß er so tieff biß auffs Gebein hinein gedrungen hatte, daß in dem  grossen Colosso nicht eine eintzige untze lebendiges und gesundes Fleisches  were zu finden gewest, dessen sie so sehr erschracken, daß ihme alsbald seinen  Rock wieder anlegten, und beurlaubten.
(Die Reformation)
  Weil sie nuhn hierauß genugsamb  gespüret, daß keine Hoffnung mehr were zur Gesundheit, tratten sie zusammen,  und satzten ihnen anbefohlene sorge des gemeinen bestens hindan, und  unterredten sich, durch was mittel und wege ihre Reputation und Ansehen ihnen  möchte ungeschwecht bleiben.
  Damit sie nuhn der sachen einen  schein geben, und es bey den Leuten ein ansehen hette, als ob sie ihrem Ampt  wol vorgestanden, gemeinen Nutz fortgesetzt, auch umb Ihre May. sich sehr hoch  verdienet hetten, diktirten sie dem Secretario Mazzonio eine allgemeine  Reformations Ordnung, in welcher sie anfänglich mit vielen prächtigen und geschmückten  worten darthaten, und rühmeten die Vätterliche Zuneygung, die Ihre May. zu  ihren getrewen und thugendhafften Underthanen trüge, auch wie sorgfeltig sie  ihr die allegemeine Wolfahrt Menschliches Geschlechts liessen angelegen sein,  strichen auch gewaltig herauß, die grosse Mühe und Arbeit, mit welcher der  Reformations Raht der Zusammentragung gegenwertiger newen und hochnötigen  Ordnung oblegen  were: Hernach folgte ein  Taxt und gewisser Werth, so sie auff Kraut,  Rüben, Petersilgen, gesetzt, und war also die Reformation vollnzogen, auch von  den Herrn sämptlich unterschrieben, wie Thales noch ein wichtiges ihnen zu  gemüt führete: Als nemlich, wie etzliche vorteilhafftige und betriegliche Leut,  so die Feygbonen und rohten Brustbärlein verkauffen, ihre Mäßlein so geringe  hatten, daß es ein grosse ärgernuß geben würde, auch zu mercklicher  verschmälerung der angestelten Reformation gereichen, wo mans nicht endern  würde: Diese Erinnerung gefiel dem Raht, und ward alsobald in die Reformation  für einen hochnötigen Articul gesetzt, daß ermeldte Mäßlein in allweg solten  grösser gemacht werde.
  Nach diesem wurden die grosse  Thor im Pallast auffgethan, und die allgemeine Reformation offentlich vor dem  Volck abgelesen, welches mit hauffen zulieffe, und Naaß und Maul auffsperreten,  auch ein solches Vergnügen an diesem werck truge, daß der gantze Berg Parnassus  erschallete, von jauchtzen und schreyen derer, so hierüber frolocketen.
  Also kann man leichtlich dem  gemeinen Pöbel ein nasen drehen, und mit schlechten dingen vergnügen: Aber  verstendige Leut wissen, daß,  so lang  als Menschen sein werden, auch Laster sein, und daß in dieser Welt keine  gäntzliche richtigkeit zu treffen, sondern daß man da wol lebe, da man mit  wenigen unrichtigkeiten beladen, endlich daß es der Herrn Menschlichen  Klugheit  seye, daß man sich in den  schweren fürsatz schicken könne, und gäntzlich bey sich entschliessen, die Welt  also zu lassen, wie man sie gefunden hat, etc.

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      Die als Textvorlage genutzte Ausgabe von 1913  | 
In der Einleitung ab Seite XXXVI schreibt Maack:
  Im Jahre 1615 wurde der römische Satiriker Trajanus  Boccalini in Venedig von vier maskierten Kerlen mit Sandsäcken erschlagen. Er  hat u.a. ragguagli di Parnasso (1612)  und deren Fortsetzung secretaria di  Apollo geschrieben. Darin kommt eine Generale  Riforma dell‘ Universo vor. Diese allgemeine Weltreformation wurde von  Professor Christoph Besold in Tübingen übersetzt und dem befreundeten  Herausgeber der Fama auf den Schreibtisch gelegt.
  Andreae’s Allgemeine Reformation der gantzen Welt erschien  zuerst 1614 in Kassel und zwar zugleich mit der Fama. ..
  Im Einzelnen verhält es sich mit den vielen verschiedenen  Ausgaben folgendermaßen (Die Ausgaben sind sehr schwer zu entwirren, da bei  ihrer großen Rarität eine vollständige Autopsie nicht möglich ist)
  1614         Kassel durch Wilhelm Wessell, 1.  Ausgabe, (zusammen mit Fama 147 Seiten)
  1614         Kassel, 152 Seiten 
  1615         Frankfurt
  1616         Kassel
  1781         Regensburg
zu Maack siehe 
  https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Maack
Auf welche Ausgabe sich Maack bei seiner Textübertragung  bezieht, wird nicht deutlich. Er vermerkt,  dass die Ausgaben 1615 und 1616 an seinem Wohnort in der Hamburger  Stadt-Bibliothek vorhanden seien. Sein Neudruck 1913 erfolgte wieder in Fraktur,  allerdings mit der Anpassung der  Schreibsonderheiten  der Fraktur (vereinzelt  v/u-Tausch, Tilde als Verdopplungszeichen, Verkürzungen etc.).
  
  Im Internet ist die Ausgabe 1615 Frankfurt /M. gedruckt von  Johann Bringern in Verlegung Johann Bermers als Scan (Abbild der Seiten)  in grober Fraktur unter
  https://issuu.com/dirkjan2/docs/johann_valentin_andreae_-_fama_fraternitatis__germ/136 
  durchzublättern und auf den Buchseiten 130 bis 216 direkt zu vergleichen. 
Die Ausgabe von von 1615 scheint aber nicht die Vorlage  von Maack zu sein, da sich die Einleitungssätze unterscheiden (Discurs. Von  allgemeiner Reformation…).  Auffälliger  Unterschied ist weiterhin die wechselseitige Abweichung der Groß- und  Kleinschreibung der Substantive. Nur zufällig gefundene  Unterschiede sind „J. M. nit unbewust“ (1615 S. 134) als „Jhr May. nicht  unbewust“ (Maack 1913 S. 7)  und „fein  mässig“ (1615 S. 199) als „segenmässig“ (Maack 1913 S. 37). Neben sicherlich  weiterhin zu findenden Unterschieden ist jedoch die Übereinstimmung ansonsten  erstaunlich. Sichtbar wird dieses z.B bei den wechselseitig gleichen  Schreibweisen von rath/raht,  muth/muht  oder noth/noht
  Diese ‚digitale Übertragung‘ hat die Fraktur-Schreibweise von Maack bis auf drei Abweichungen aber  sonst  ,getreu'  übernommen: die Zwischenüberschriften in Klammern stammen von mir, das dort übliche v bei mit u  beginnenden Worten (vnd, vnter etc.) sowie das j bei mit i beginnenden  Worten  (jhr, jhm, Jhre) sind angepasst.   Die Diphthonge eu und au (newe, bawen) sind jedoch geblieben.
Der Erstdruck von Boccalinis "General Reformi dell' Universo" liegt als Scan vor: https://archive.org/details/deragguaglidipa01bocc/page/326/mode/2up
Weitere Verweise
  https://de.wikipedia.org/wiki/Traiano_Boccalini 
  https://de.wikipedia.org/wiki/Rosenkreuzer#Fama_Fraternitatis_(1614) siehe unter Fama
  https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Besold 
zur Frakturschrift z.B.
  http://www.hpgrumpe.de/etschenreutter/fraktur.htm
  https://www.frakturschriften.de/frakturschrift/index.php?thread/685-neue-frakturschrift-bei-der-open-font-library/
PDF-Ausgabe des vorliegendes Textes und mehr zu Tr. Boccalini.
Mein Beitrag zu aktuellen Weltrettungsveruchen;)
  Greta Thunberg beim COP26: "Kein Bla bla bla mehr, keine Ausbeutung von Menschen, Natur und des Planeten mehr.."
  Fairtrade-Town Jever im Oktober 2021: Fehlendes Herzblut 
Bleck, November 2021