Notwendig oder nötig?
Die Entscheidungsgänge in der Stadtverwaltung brauchen halt ihre Zeit. Im Frühjahr 2019 habe ich der Verwaltungsspitze mitgeteilt, dass einige der seinerzeit von der Stadt an einigen historisch interessanten Gebäuden angebrachten Schilder inhaltlich überholt oder, wenn sie dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt waren, unleserlich geworden sind. Der Handlungsbedarf wurde zwar erkannt, aber irgend etwas hielt den Bürgermeister zurück, grünes Licht für eine Überarbeitung zu geben. Die Kosten können es eigentlich nicht gewesen, denn die zu erwartenden 1.400 € hätten in den zahlreichen gefüllten Haushaltsposten zur Unterhaltung des öffentlichen Raumes kein Loch gerissen. Da sind, wie zum Beispiel an den grüngrellen Sitz-und Blumenbänken im Bereich des Alten Marktes zu sehen, für die Gestaltung und Tourismusförderung ganz andere Summen bereitgestellt worden.
Die hier angesprochenen Schilder aus dicken Plexiglas wurden 1995 auf Kosten der Oldenburgischen Landschaft angebracht.
Die Nordwest-Zeitung informierte am 13. Januar 1995
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Die in diesem Zeitungsbericht vom damaligen Stadtdirektor Hashagen angekündigten Schilder an weiteren Gebäuden wurden nie installiert. Über die Jahre gingen 3 Tafeln verloren, an der Alten Apotheke und am Sophienstift wahrscheinlich schon früh durch Renovierungsarbeiten und bei der Sanierung der ehemaligen Kasernenbauten für das Gymnasium erst vor wenigen Jahren. Das Gymnasium hat aber als Ersatz eine eigene größere Tafel neu angebracht. Geblieben sind bis vor wenigen Tagen 7 Tafeln in unterschiedlichem Zustand. Auch vom letzten Zustand des ehemaligen „Kasernen"-Schildes" gibt es noch eine Aufnahme:
Manche Schilder waren durch die UV-Strahlung verblasst, durch die Kürze des Textes unverständlich, inhaltlich längst überholt („Gästehaus für den Städtetourismus") oder durch den Klinkerhintergrund schwer zu entdecken und zu lesen. Das Schild am Amtsgericht habe ich jahrelang übersehen, da es rechts neben dem alten Portal kaum erkennbar war.*)
erkennen Sie das Schild?
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Durch die beiden Zeichen ganz unten geben die Schilder die Autorenschaft bzw. Herkunft an, das Stadtwappen links und das damalige Emblem der Oldenburgischen Landschaft. Letzteres ist heute anders, mit Schriftzug und farbigem Wappen.
Eine Neufassung der Texte, soweit erforderlich, wurde bereits 2019 auch durch Mitglieder des Jeverländischen Altertums- und Heimatvereins vorgeschlagen. Vielleicht lag die Zurückhaltung der Stadtverwaltung darin, dass jetzt dieser Verein den Anspruch stellte, mit seinem Signet, dem Löwenstempel, als Partner auf den neuen Tafeln zu erscheinen. Nachdem verworfen wurde, die Schilder auf eigene Vereinskosten zu erneuern, stellte 2021 der Vorsitzende des Heimatvereins bei der Stadt den „Bürgerantrag", „dass die Stadt die Beschilderung historisch bedeutsamer Gebäude neu gestalten sollte". Beide örtlichen Zeitungen berichteten ausführlich und mit Bild (Jeversches Wochenblatt vom 27.05.2021) und (Nordwest-Zeitung vom 17.05.2021), wobei die im Antrag genannten Mängel der Beschilderung deutlich vorgestellt wurden.
Mit der schon einige Jahre vorher verwirklichten Konzeption, Informationsschilder möglichst einheitlich und auch mit den durch das Internet gegebenen Möglichkeiten einer mehrsprachigen Beschreibung zu versehen (siehe Informationstafeln zur Stadtentwicklung Jevers), hatte der Grafiker Andreas Reiberg längst die neugefassten Texte mit einem Hintergrund sowie den QR-Codes gestaltet.
Aber die Finanzierung hakte wohl immer noch. Denn solch ein „Bildungsauftrag" konnte nicht einfach aus dem Haushalt finanziert werden. Gelder zu diesem Zwecke werden aus Stiftungsgeldern genommem. Die Stadt verwaltet die Johanne-Gruner-Stiftung, die je nach Zinsertrag Mittel für gemeinnützige Zwecke ausschütten kann. Das ist aber seit der (fast) zinslosen Zeit der letzten 20 Jahre unergiebig.
Durch das Warten auf Zinsen und Umorganisation in der Verwaltung konnte im Herbst 2022 mit der Freigabe des Geldes der Auftrag endlich erteilt werden. Danach brauchte es noch einen freien Termin beim Bauhof. Am 24. Juni 2023 konnten die 7 Schilder in einer zweistündigen Aktion ausgetauscht werden. Puh.
Hier die neu angebrachten Tafeln; der Klinkerhintergrund zeigt das durchsichtige Plexiglas, der Text steht in einem halbdurchsichtigen hellen Feld:
Schlossstraße 1, links neben dem alten Portal
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Hopfenzaun 2, siehe dazu auch Das Drostenhaus. Ein Portalrest.
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Schlosserplatz 4
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Lindenallee 1, Hauptportal
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Am Kirchplatz 11
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Am Kirchplatz 14
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Wangerstraße 14
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Über den QR-Code mittels Smartphone lässt sich der jeweilige hinterlegte Text in den drei Sprachen niederländisch, englisch und deutsch von der Webseite der Stadtverwaltung aufrufen. Auf diesem Wege soll bzw. kann auch ergänzend weiteres Material abrufbar sein: so werden vorerst beim Rathaus historische Ansichten des Gebäudekomplexes gezeigt, auch ein Detail aus der Holzpaneele von Folkhard Fremers, beim Drostenportal Ansichten aus den 1970er Jahren des ganzen Drostenhauses am alten Standort in der Drostenstraße und beim Schwarzen Bären die kleine Sandsteinfigur über dem Eingang des rückwärtigen Giebels in der Großen Burgstraße.
Noch weitere Ergänzungen können folgen. Aber der Zugang mit Schreibrechten ist nur über die Stadtverwaltung möglich. Jede Veröffentlichung dort ist abzustimmen und benötigt Arbeitszeit.*)
Drostenhaus, ehem.Standort des Mariengymnasiums |
Drostenhaus, 1972 (Hugo Rase) |
Kreisamt vor 1964 (Postkarte) |
Sandsteinrelief Große Burgstraße |
Rathaus vor 1920 |
Rathaus vor 1963 |
Holzpaneele von Folkhard Fremers 1615 im Ratssaal |
Am 30. Juni, vor wenigen Tagen, erschien im Jeverschen Wochenblatt die Meldung über die neu angebrachten Schilder. Redakteur Hinz hat uns bei den Arbeiten „erwischt". Vielleicht kommen jetzt doch noch mehr Schilder gemäß der damaligen Ankündigung von Stadtdirektor Ingo Hashagen hinzu. Anfragen von Hausbesitzern bei den mit den Schildern befassten Heimatvereinsmitglieder gibt es bereits.
Bleibt die Frage: Braucht Jever diese (neue) Beschilderung - oder überhaupt solche Informationstafeln? Dass die Stadtöffentlichkeit, zumal noch konzentriert vertreten durch die Ratsfrauen und -männer, auch die Verwaltung - als Ganzes mit den Fachgebieten zur Daseinsvorsorge (Pflege der Lebensqualität) und Wirtschaftsförderung (u.a. für den Tourismus), aber auch mit jedem Einzelnen darin ggf. als Teil der Bürgerschaft, mit persönlichen Interessen (am Job?) - den Mangelzustand kaum bemerkt bzw. sich mit einer Verbesserung dieses Zustandes schwertut, ist unübersehbar. Von außen herangetragen, ist es lästige Pflichtaufgabe. Und dann noch herangetragen von denen, die laut Ratsplenum eher das Plumpsklo wieder einführen wollen. Jever als „Stadt der Kunst, Sage und Geschichte" könnte ja in einigen Köpfen noch Verpflichtung sein. Nice to have - aber nur, wenn es nichts kostet. „Wir haben ja das Schloss!"
*) Die einzelnen Bilder lassen sich vergrößern: rechte Maustaste und „Grafik in neuem Tab öffnen" (Windows).
Quellen:
„Glastafeln sorgen für Durchblick": Nordwest-Zeitung vom 13.01.1995
„Gebäudetafel sollen besser lesbar werden": Nordwest-Zeitung vom 17.05.2021
„Moderne Schilder mit QR-Codes und Übersetzungen": Jeversches Wochenblatt vom 27.05.2021
„Jevers Sehenswürdigkeiten perfekt ausgeschildert": Jeversches Wochenblatt vom 30.06.2023
Satzung der Stadt Jever für die Johanne-Gruner-Stiftung (www.stadt-jever.de, nutzen Sie die Suchfunktion mit der Lupe)
Farbfotos: V. Bleck, Schwarzweißfotos: Archive W. Krüger und V. Bleck
V. Bleck, Juli 2023