Marienhausen

Ein Zeitungsbericht anno 1818

Vor 200 Jahren, zu Zeiten eines "Gezeitenwechsels" im Jahre 1818 *) - wurde in den Oldenburgischen Blättern über Marienhausen bei Sande berichtet. Genauer: es wurde der desolate Zustand des Sommerschlosses von Fräulein Maria beklagt. Offensichtlich wurde das Gemäuer mutwillig dem Verfall preisgegeben.

Die Oldenburgischen Blätter erschienen in der Zeit von 1817 bis 1848. Dieser Text erschien in drei Folgen in den Ausgaben Nr. 32, Nr. 39 und Nr. 43 und wird im Folgenden wiedergegeben. Es sind die in der 2. Folge aufgeführten Korrekturen eingearbeitet. Der angehängte Hinweis zur Made ist als Fußnote an das Ende der ersten Folge eingeschoben. Die Fußnote im dritten Abschnitt entspricht dem Original. In dieser Textwiedergabe ist die damaligen Rechtschreibung beibehalten worden.
Der originale Text ist der Zeit entsprechend in Fraktur gesetzt. Der Scan dieser Seiten kann hier im PDF-Dokument eingesehen werden.

Für das weitere Schicksal des Schlosses werden für den endgültigen Abriss mit Ausnahme des Turmes die Jahre 1822 und 1826 angeführt. Heute befindet sich auf dem Areal das Gut Altmarienhausen und neben dem "Marienturm" das Marienstübchen. Man sagt, der Grundstock dieses kleinen und gemütlichen Cafes sei vorher der Hühnerstall des Gutes gewesen.

Eine Ansicht des Schlosses Marienhausen ist im Wilhelmshavener Lexikon abgebildet ('Rekonstruktion').

*) Anknüpfung an "Gezeitenwechsel. Das Herzogtum Oldenburg und das Jeverland 1818 - 1918", eine Ausstellung im Schloss vom 10.06.2018 bis zum 15.01.2019.

 

Marienhausen

Alles, was das Fräulein Maria (Edo Wiemkens des jüngeren zweite Tochter, geboren d. 5. Dec. 1500., gestorben d. 20. Febr. 1575.) betrifft, wird jedem Jeveraner stets theuer und ehrwürdig bleiben. Sie ist die bekannsteste unter den Regenten Jeverlands. Sie hat sich auf vielfache Weise um Stadt und Land verdient gemacht; ihre Stiftungen haben sich zum Theil bis in die neuesten Zeiten erhalten; und die der Stadt und dem Lande von ihr ertheilten Rechte und Privilegien sind von ihren Nachfolgern, bis zu der Französischen Gewaltherrschaft, respectirt worden.

Unter den während ihrer Regierung aufgeführten, zum Theil noch erhaltenen, Gebäuden ist das, noch ihren Namen führende Schloß Marienhausen eines der merkwürdigern. Es wurde von ihr erbauet, und, wie es scheint, nicht ganz vollendet, ungefähr in den Jahren 1571. bis 1573., also in den letzten Jahren ihres verdienstlichen Lebens, nachdem der Marien-Siel im Jahre 1570. fertig geworden war, nahe an den von ihr der Made *) entrissenen Ländereyen, nicht ferne von den Deichen, durch welche sie den Verwüstungen der Jade, die in der Antoni-Fluth 1511. mehrere Kirchspiele ganz oder zum Theil verschlang, Einhalt gethan hatte.

Marienhausen liegt eine Viertelstunde von dem Kirchspiel Sande, fast eben so weit von dem nach Schortens gehörenden Roffhausen, und eine halbe Stunde von Mariensiel. Das Schloß (oder die Ruinen desselben) mit seinen Umgebungen zeugt noch von seiner ehemaligen Schönheit. Um dasselbe herum ging einst ein Wall mit doppelten Gräben, nach Osten hin mit einer Brücke, die ehedem wahrscheinlich eine Zugbrücke war. Die Brücke wurde vor 3 Jahren, weil sie baufällig wurde, abgebrochen, und an deren Stelle ein Damm durch den Graben geschlagen. Dem Damm fehlt es zwar an Ansehen, aber er hat doch das Gute, daß man ohne Gefahr hinüber gehen kann, welches bey der Brücke nicht mehr der Fall war.

Der äußere Graben ist noch ganz vorhanden, doch ist er sehr unrein und an den Ufern mit Gesträuchen verwachsen. Der innere Graben ist nur an einzelnen Stellen noch bemerkbar. Der Wall mit hohen Bäumen ist noch vorhanden, dient indessen nicht mehr, wie einst, zu einem angenehmen Spaziergange, sondern zur Weide für Kühe, Kälber und Ziegen.

An der Brücke (jetzt Damm) steht inwendig gleich links ein kleines Haus, das einst ein Wachthaus gewesen seyn mag, nachher aber, als auf Marienhausen das Amtsgericht war, wohin die Gemeinen Schortens, Sande, Neuende und Heppens, jetzt zum Amte Jever geschlagen, gehörten, diente es zur Schenke. Doch kann es auch seyn, daß es zu diesem Zweck erst erbaut ist, denn es scheint ein Werk späterer Zeiten zu seyn. Seit den J. 1806. ist es sehr verfallen, doch wird es noch von einem Heuermann bewohnt; indessen hat die Schenke nichts mehr zu bedeuten, da kein Amtsgericht mehr da ist, und das Kirchdorf Sande mit seinen Wirthshäusern so nahe liegt. Auch geht kein Fahrweg, sondern nur der nicht stark gebrauchte Fußpfad von Sande nach Jever vorbey.

Von der Brücke aus hat man die in der That gefällige Ansicht des Schlosses in seiner ganzen vordern Breite. Ein großer, geräumiger Platz befindet sich vor demselben, der jetzt grün ist, ehedem aber vermuthlich ganz gepfastert war; denn unter dem grünen Rasen findet sich allenthalben noch ein Straßenpflaster.

An der Südseite des Platzes steht die ansehnliche Pächterwohnung, welche während der Landes-Administration der Durchlauchtigsten Fürstin von Anhalt-Zerbst fast ganz neu erbaut wurde. Gegenüber an der Nordseite des Platzes steht ein kleines Sprützenhaus, aus späterer Zeit, mit einer sehr guten Sprütze, die jedoch, da die dazu gehörenden Schlangen und Eimer nicht im besten Stande sind, bey etwanigem Brande nicht von großem Nutzen seyn möchte.

Weiterhin, etwa 30 Schritte vom Schlosse, nach der Südseite hin, befindet sich ein tiefer ausgemauerter, oben mit Sandstein eingefaßter Brunnen, der, ob er gleich in vielen Jahren nicht greinigt worden, doch ein sehr schönes Wasser hat. Zu dem Brunnen führen in schräger Richtung drey gemauerte Röhren, durch welche man noch vor wenig Jahren die Schlangen der Sprütze bis an das Wasser herunter lassen konnte. Jetzt sind diese Röhren verstopft, und der Brunnen verfallen, und wird vielleicht in wenigen Jahren zusammenstürzen.

An der Nordseite nahe am Schlosse steht die artige ehemalige Beamten-Wohnung, auch aus späterer Zeit, mit einer Scheune und einem Nebengebäude. Die Scheune und das Nebengebäude stürzen zusammen. In der Hauptwohnung, die ein Vorhaus, eine Küche und 5 hübsche Zimmer hat, ist alles so ruinirt, daß sie nur mit vielen Kosten wieder wohnbar gemacht werden kann. Die Fenster sind zerschlagen, Thüren und Fensterladen, selbst ein Ofen und alles was Werth hatte, zum Theil gestohlen. Kühe und Kälber durchwandern Haus und Nebengebäude, und ruiniren alles.

Hinter dem Schlosse ist ein großer schöner Küchen- und Obst-Garten, der zur Zeit der Beamten im besten Stande war. Jetzt ist er verpachtet, und geräth immer mehr in Unordnung. Auch draußen vor dem Eingange auf dem Schloßplatz ist ein großer Obstgarten, der zur Zeit der letzten Fürsten von Anhalt-Zerbst angelegt wurde. Auch dieser ist verpachtet, dient, wie der andere, oft zur Viehweide, und wird bald ruinirt seyn. Beyde Obstgärten wären ihres schönen Obstes wegen vielleicht einer größern Aufmerksamkeit würdig gewesen.

*) (Ergänzung zur Korrektur) Die Made war im Anfange der Regierung Maria's ein breiter Fluß, der durch Ueberschwemmungen oft großen Schaden anrichtete, sein Bette oft verändert haben muß, und gegen den man deichen mußte. Das Kirchspiel Sande war höchstwahrscheinlich ein Sand oder eine Insel in diesem Flusse. Man konnte in alten Zeiten auf der Made vom Rüstersiel her bey Gödens hin in die Jade schiffen. Fräulein Maria setzte dem Flusse erst feste Gränzen, und seit der Zeit hat er sich nach und nach in ein bloßes Sieltief verwandelt, das zur Abwässerung dient, und gereiniget wird. Von den gegen ihn aufgeworfenen schweren Deichen findet man im Neuender und im Sander Kirchspiele noch lange Strecken. An, vielleicht sogar auf, den Ländereyen, die Maria diesem Flusse, oder Meerbusen, entrissen, bauete sie ihr Lustschloß. Nördlich war die Made, die nach Osten oder Nordosten floß; südlich, bis nur etwa 200 bis 300 Schritte von dem Kirchdorfe Sande, gieng nach der Fluth von 1511. die Jade und der gegen dieselbe damals schützende Deich.

(2. Folge)

Das Schloß selbst, so wie es jetzt noch steht, ist ein regelmäßiges längliches Viereck, welches von Norden nach Süden etwa 100 Fuß lang, von Osten nach Westen 33 Fuß breit, und bis an das Dach 30 Fuß hoch seyn mag. Die Mauern sind an der Süd-Seite ungefähr 2 Fuß, an der West-Seite 3 Fuß dick. Man sieht an der Ostseite im Erdgeschosse 4 Fenster, an der Nprdseite 1, an der Westseite 7, und an der Südseite 2. Diese Fenster haben sämmtlich Rahmen von Graustein, sowohl oben und unten als an den Seiten und in der Mitte, welche auswendig sehr artige Säulen bilden. Innerhalb dieser steinernen Rahmen waren hölzerne, in welchen die, wahrscheinlich in Bley gefaßten Fenster befestigt waren. Die hölzernen Einfassungen sieht man aber nur noch in einigen Fenstern; von Bley und Glas ist keine Spur mehr vorhanden. Die steinernen Rahmen haben im Lichten ungefähr 71/2 Fuß Höhe und 41/2 Fuß Breite.

Nur etwa um 1/2 Fuß kleiner, im übrigen eben so beschaffen, sind die Fenster des oberen Stocks, deren 5 nach Osten, 2 nach Süden, und 8 nach Westen sind. Nach Norden hin ist eines zugemauert, wovon man jedoch noch den steinernen Rahmen in der Mauer findet.

Der Eingang in das Schloß geht, nach dem nördlichen Ende der Ostseite hin, durch eine ansehnliche Thür, oder vielmehr Thür-Oeffnung; denn die Thür fehlt, liegt jedoch noch da. Diese Thür hat eine Einfassung von Graustein mit zierlichen Säulen zu beyden Seiten, wovon die eine umgestürzt ist. Neben den Thürrahmen befindet das in Graustein ausgehauene herrschaftliche Wappen, und darüber eine Bildsäule, der die Arme abgeworfen sind, und deren Bedeutung man nicht recht erkennen kann; vielleicht stellte es die Gerechtigkeit vor.

Man kommt zuerst in einen Vorsaal, der, so wie alle Zimmer, über die ganze Breite des Gebäudes geht. Er hat von Osten nach Westen eine Breite von 27 Fuß, und eine Länge von 24 Fuß; jene Breite beträgt reichlich einen Fuß weniger als in den übrigen Zimmern, weil hier die äußere Mauer, nach Osten hin, um so viel dicker ist. Der Fußboden ist mit kleinen rothen Fluren belegt, und die obere Decke ist mit künstlichem Schnitzwerk geziert, das sich ziemlich gut erhalten hat, wo es nicht durch die eindringende Nässe in den letzten Jahren verdorben ist. Dieser Vorsaal hat nach Osten und Norden hin ein Fenster, nach Westen zwey. Aus demselben geht man durch eine Thüröffnung (die Thür fehlt) in ein Zimmer, ungefähr 28 Fuß breit und 22 Fuß lang. Hier, wie in beyden folgenden Zimmern, ist der Fußboden mit blau- und roth-marmorirten kleinen Fluren belegt, welche feiner zu seyn scheinen als die im Vorsaale. Die obere Decke ist in allen Zimmern eben so künstlich verziert, wie im Vorsaale, und hat sich sehr gut erhalten, wo der durch das an mehreren Stellen eingestürzte Dach eingedrungene Regen nicht geschadet hat. An der nördlichen Wand dieses Zimmers ist ein schöner Camin, dessen obere Einfassung auf artigen, mit Bildern gezierten Säulen gestützt ist. Einfassung und Säulen sind von Graustein, jene röthlich marmorirt mit grauen Leisten, diese weiß angemahlt, welche Farben sich sehr gut erhalten haben. Es hat aber die Bosheit die Säulen zerschlagen, und die Bilder haben Arme und Beine, manche den Kopf ganz oder halb, verloren. Über der Einfassung des Rauchfanges steht eine Platte von weiß angemahltem Graustein, worauf einige Figuren ausgehauen sind. Aber alles ist so zerschlagen, daß man den Sinn des Bildes nicht mehr zu entdecken vermag. An der einen Seite dieser Platte befindet sich eine sehr zertrümmerte Bildsäule in sitzender Stellung; an der andern war ohne Zweifel eine ähnliche, von der sich nichts mehr findet.

Aus diesem Zimmer geht man in ein kleines, welches, bey der Breite der übrigen, nur 12 Fuß Länge und nur ein Fenster nach Westen hat, weil an der Ostseite von diesem bis zur Hälfte des folgenden Zimmers ein, nunmehr abgebrochener, Flügel des Schlosses stand. Die Wand nach dem folgenden Zimmer, die hier, wie in allen, aus Bindwerk besteht, ist mit Holz bekleidet, und hat 2 Thüren, die noch da sind; vielleicht war dies Zimmer das Schlafzimmer.

Durch diese beyden Thüren geht man in den großen sogenannten Rittersaal. Der Fußboden und die obere Decke sind hier wie in den andern Zimmern verziert; doch hat letztere mehr gelitten, und es steht unter dem einen Balken eine starke Stütze, die schon vor vielen Jahren gesetzt zu seyn scheint. Dieser Saal hat, bey der gewöhnlichen Breite von 28 Fuß, eine Länge von 33 Fuß. Er hat 2 Fenster nach Westen, eines nach Osten, weil der obenbemerkte Flügel nicht mehr zuließ, und zwei nach Süden. Zwischen letztern steht wieder ein schöner Camin, eben so gearbeitet wie der vorige, aber auch eben so gemißhandelt. Die darüber stehende Platte ist aus feinerem Gestein, vermuthlich aus Alabaster, verfertigt.

Aus dem Rittersaale führt eine Thüröffnung jetzt auf den Schloßplatz. Ehedem führte diese Thür in den vorerwähnten Flügel, der vor einigen Jahren abgebrochen worden. In diesem soll sich ein Zimmer mit einer Canzel, auch Sitzen für die Zuhörer, befunden haben; es war also wohl zum Gottesdienst bestimmt, wenn sich das Fräulein etwa im Sommer eine Zeit lang hier aufhielt.

Da wo sich dieser Flügel an die Mauer des Rittersaales anschloß, erhob sich ein viereckiger Thurm, von dem noch das Gemäuer bis an das Dach des Schlosses steht. Ob er einst höher, und wie hoch er war, läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen. Die in ihm hinaufführende steinerne Wendeltreppe, 32 Stufen hoch, läßt sich noch ohne Gefahr besteigen.

Auswendig unten am Thurm war ein Stück Graustein, von etwa 21/2 Fuß Breite und 11/2 Fuß Höhe mit eisernen Klammern befestigt, welches erst nach der großen Wasserfluth des Jahres 1717, deren Höhe es bezeichnet, angebracht seyn wird. Es hate die sehr leserliche Inschrift:

Anno 1717. den 25. December hat in der Nacht dies Land den Zorn Gottes gefühlet, da eine Fluth Siel, Deich und Heuser wegespület. Lass zur Erinnerung den Fuss an diesem Stein dir von des Wassers Hoh ein stetes Zeichen seyn.

Dieser Stein ist nicht mehr an seiner Stelle; doch soll er noch in der sogenannten Schenke aufbewahrt werden.

Unten in dem abgebrochenen Flügel des Schlosses mag auch die Küche gewesen seyn; wenigstens ist der Eingang in den Keller unter dem abgebrochenen Thurm, an der Seite, die im Innern des Flügels war.

Der Keller geht unter die 3 Zimmer des Hauptgebäudes hin, hat dessen ganze Breite und eine Länge von 60 bis 70 Fuß. Die Decke desselben ist ein auf mehrern starken gemauerten Säulen ruhendes festes steinerndes Gewölbe, an dem man noch keine schadhafte Stellen oder irgend Gefahr des Einsturzes wahrnimmt. Gewöhnlich steht in demselben etwa 1/2 Fuß Wasser, das sich nur bey anhaltender Dürre ganz verliert. Sicher würde dies nie der Fall seyn, wenn der Graben, der das Wasser ableirten soll, rein gehalten würde. Die Keller-Fenster
sind mit Gesträuch und Unkraut verwachsen, weswegen man, in der Finsterniß es nicht wagen darf, ihn genauer zu untersuchen.

(3. Folge)

An dem nördlichen Ende des Schlosses, mit der östlichen Mauer in einer Linie und mit derselben in einer Verbindung, steht der Thurm, von nicht ungefälliger Bauart. Er ist viereckig; die Mauern sind ungefähr 3 Fuß dick; der innere Raum ist ungefähr 10 Fuß lang und breit. Eine besondere Thür-Oeffnung führt von dem Schlossplatze hinein, und man besteigt ihn auf einer bequemen steinernen Wendeltreppe, deren Stufen mit dicken hölzernen Platten belegt sind, und die sich recht gut erhalten hat. Nachdem man 26 Stufen erstiegen, kommt man an einen Absatz, von dem man in die mit einander in Verbindung stehenden 4 Zimmer des obern Stockwerks geht.

Das erste Zimmer hat, wie alle, die Breite von 48 Fuß und die Länge von 24 Fuß. Es hat 2 Fenster nach Osten und 2 nach Westen; eines nach Nordosten ist zugemauert. An der Scheidewand nach dem zweyten Zimmer ist eine mit Backsteinen gepflasterte Stelle, 4 Fuß lang und breit, und darüber ein Loch in der Wand, durch welches eine Ofenröhre in den Rauchfang des Camins im andern Zimmer geleitet seyn mag, wenn hier einst ein Ofen stand, der erst in späteren Zeiten gesetzt worden, vielleicht von einem der Beamten, die zuweilen einige Zimmer, besonders im obern Stocke, benutzt haben solllen.

Das zweyte Zimmer hat wieder ein hübsches Camin, an den Seiten mit schöner Bildhauer-Arbeit geziert, die aber, wie an den andern, zerschlagen ist. Die Einfassung des darüber befindlichen Rauchfanges ist, wie in den untern Zimmern, von Graustein, röthlich, die Leisten grau, marmorirt. Die Farbe hat sich sehr gut erhalten, auch ist bis jetzt die Einfassung noch unbeschädigt.

Das dritte Zimmer ist 23 Fuß lang und hat an der Westseite 2 Fenster und kein Camin. In der südöstlichen Ecke geht eine Thür in den abgebrochenen Thurm, durch den also auch der abgebrochene Flügel des Schlosses mit den obern Zimmern des Hauptgebäudes in Verbindung stand. Es scheint dies Zimmer eine Art von Vorzimmer gewesen zu seyn; in der westlichen Mauer ist ein Nachtstuhl angebracht gewesen.

Das vierte Zimmer, vermuthlich das Hauptzimmer des obern Stocks, ist 24 Fuß lang, und hat 5 Fenster: eines nach Osten, 2 nach Westen und 2 nach Süden. Zwischen beyden letzteren befindet sich ein sehr hübsches Camin; doch ist hier alles verstümmelt. Selbst eine über der Einfassung angebrachte Bildsäule ist mit Backsteinen zerschmissen, deren Spuren man an der Wand und an den Trümmern der Bildsäule erkennt.

Wenn man von jenem Absatze der Thurm-Treppe, von dem man in die Zimmer der Oberetage geht, abermals 21 Stufen gestiegen, gelangt man wieder zu einem Absatz, von dem man auf den Boden über dem zweyten Stock gehen kann, über welchem das Dach anfängt. Auch dieser scheint zu Zimmern bestimmt gewesen zu seyn; wenigstens ist er durch Scheidewände in mehrere Abtheilungen getheilt. Auf diesem Boden darf man jedoch nicht sicher umhergehen; denn da das Dach mehrere große Oeffnungen hat, wodurch Regen und Schnee ungehindert hereindringen, so scheint er, jedoch auch nur an diesen Stellen, sehr morsch zu seyn.

Nach 13 Stufen folgt der letzte Boden, von dem jedoch wohl keine einzige Diele mehr liegen mag, deren Spuren man nur an den Nägeln in den Balken erkennt.

Nach abermaligen 22 Stufen, wovon die letzten zerbrochen sind, hört die steinerne Wendeltreppe auf. Ueber dem Ende derselben war ein fester Boden, auf welchem man nach allen Seiten hin die herrlichste Aussicht über die Jade, einen großen Theil von Jeverland und Ostfriesland, und nach Zetel, Bockhorn und Varel hin hatte. Es sind hier vier große mit Graustein eingefaßte Oeffnungen, an denen man nicht deutlich mehr erkennen kann, ob in demselben Fenster oder Thüren waren. Durch die schöne Aussicht findet man sich für die Mühe des Hinaufsteigens, bey hellem Wetter, reichlich belohnt. Nur Schade! daß der Boden jetzt verfallen ist; noch vor 25 Jahren pflegten die Beamten mit ihrer Familie auf demselben bey angenehmer Sommerwitterung zuweilen den Nachmittag sich aufzuhalten, und sich der herrlichen Aussicht zu erfreuen.

Von diesem Boden stieg man ehedem auf einer hölzernen Treppe noch etwa 12 Fuß höher, wo die eigentliche vierechige Mauer aufhört, und festes Holzwerk anfing. Es folgt zuerst ein 8eckiges Gemäuer, etwa 12 Fuß hoch, in welchem sich nach dem Platze hin ein großes Fenster befindet. In frühern Zeiten sollen nach allen Seiten Fenster gewesen, diese aber zugemauert seyn, nachdem hier einmal, durch ein Gewitter oder durch Unvorsichtigkeit, Brand entstanden.

Nach diesem 8eckigen Gemäuer folgt die hölzerne Kuppel, und darauf der Kopf, mit Schiefern und Bley einst wohl gedeckt. Das Ganze endigt sich in einer sehr gut gearbeiteten und wohl erhaltenen großen Windfahne.

Oben in dem Thurm war ein Uhrwerk, dessen Glocke an der Seite nach dem Platze hin unter dem Knopfe hing. Im Jahre 1816. wurde das Uhrwerk heraus und die Glocke herunter genommen. Die letztere war sehr schön, und schien von feinem Metalle zu seyn. Auf derselben fand man die Inschrift: IIIESUS. MARIA. SANCTA. ANNA. IOHANNES. MDXXII. Sie mochte etwa 150 bis 200 Pfund wiegen, und hatte inwendig deutliche Spuren, daß sie einst einen Klöppel gehabt hatte, und zum Läuten gebraucht worden sey. Da sie ungefähr 50 Jahre vor Erbauung des Schlosses gegossen worden, so hat sie gewiß vorher an einem andern Orte gehangen, wenn sie gleich auch auf Marienhausen zum Läuten zum Gottesdienste gebraucht seyn kann. Man sagt, die Glocke sey nach Neuenburg, im Amte Bockhorn, gebracht worden.

Auf diesem Lustschlosse wollte wahrscheinlich das Fräulein Maria sich, in einer der schönsten und fruchtbarsten Gegenden Ihres Ländchens, am Abende ihres für die Unterthanen so sehr nützlichen Lebens in der angenehmern Jahrszeit eine Zeitlang erholen und aufheitern, vielleicht unter eigener genauerer Aufsicht Versuche im Gebrauch des Landes machen. Hier konnte sie einen großen Theil ihrer, theils mit vieler Mühe dem Wasser entrissenen, theils dagegen gesicherten Ländereyen übersehn, und sich ihrer gelungenen Anstrengungen freuen.

In den folgenden Zeiten, bis zur Besitznahme der Franzosen, wohnten hier die Beamten von Rüstringen, welche, wenigstens die 3 letzten, zugleich Deich-Inspectoren waren. Sie bewohnten jedoch nicht das Schloß selbst, sondern das daneben stehende Beamten-Haus. Indessen wurde das Schloß immer in guten Stand erhalten, und stand unter der genauen Aufsicht der Beamten, die auch wohl bey besondern Gelegenheiten einige Zimmer mögen benutzt haben. Es blieb ein Lustschloß der Landesherrschaft, wenn es gleich die letzten Fürsten von Anhalt-Zerbst nie mögen gesehen haben.

Bis zum J. 1806. wenigstens wurde so daß Schloß erhalten und jährlich reparirt. Die Beamten, besonders die beyden vorletzten, hielten den Garten, den Wall und die äußern Graben in besten Stande. Selbst vom 1. May 1811. bis dahin 1812. war noch das Beamtenhaus verheuert, aber um einen zu hohen Preis; und da man diesen nachher nicht wieder bedingen konnte, ließ man es deswegen lieber leer stehen.

Zu den Zeiten der Holländer wurde das Schloß zuweilen als Niederlage für Smuggel-Waaren gebraucht, und es hatte damals also noch Thüren und Fenster. Allein bald nachdem der letzte Deich-Inspector Beseler seinen Abschied genommen, eigentlich erst im Jahre 1812. begannen die Zerstörungen. Man fing damit an, aus Muthwillen die Fenster einzuwerfen, auch wohl einzuschießen, um an dem Klingen des Glases ein kindisches Vergnügen zu haben. Es ward auch wohl von Douaniers besucht und visitirt, und dann manches vernichtet . Aber die Franzosen sind nicht, wie zuweilen vorgegeben wird, die Ursache aller, nicht einmal des zehnten Theils der angerichteten Verwüstungen; bey weitem das meiste ist erst nach ihrem Abzuge ruinirt worden.

Es ist in der That empörend, wenn man hier sieht, wie weit es in dem kurzen Zeitraum von 6 bis 8 Jahren, teils Muthwille und Bosheit, theils Raubsucht der Menschen gebracht hat. - Aus dem Thurm hat man, was sich nur losmachen ließ, Holz, Eisenwerk und Bley, gestohlen. In den Zimmern fehlen fast alle Thüren, u. s. w. Um ein kleines Stückchen Eisen zu erhalten, hat man in den letzten 2 Jahren ganze Stücke von dem schönen steinernen Fensterrahmen vernichtet. Alle Fenster sind eingeworfen; die Bildhauer-Arbeit an und über den Caminen ist zerschlagen, - kurz! allenthalben sieht man die empörendsten Spuren des unerhörtesten Muthwillens, der abscheulichsten Bosheit und der niederträchtigsten Raubsucht. - Das Dach, das in so vielen Jahren nicht reparirt ist, fängt an, an mehrern Stellen einzustürzen; Wind, Regen und Schnee kann durch das Dach und durch Fenster- und Thür-Oeffnungen frey hereindringen, so daß der Zerstörung im eigentlichen Sinne des Wortes Thür und Thor geöffnet ist. Alles Holzwerk verdirbt; und nach wenigen Jahren wird so das Ganze im Innern zusammem stürzen, wenn gleich die äußern festen Mauern noch ein Jahrhundert der Zerstörung Trotz bieten werden.

Die Franzosen hatten schon beschlossen, das Schloß zum Abbruch zu verkaufen. Der Termin war bereits angesetzt, als das Schicksal ihr Vorhaben vereitelte, indem sie am 7 November 1813. vor den Kosacken fliehen mußten, die ihnen am 8. nachfolgten. So wurde die Zerstörung abgewandt; - allein langsam und sicher thut jetzt Bosheit und Raubsucht, was jene auf einmal zu thun beschlossen hatten.

Wäre das Beamtenhaus einem ehrlichen Arbeiter zur Wohnung eingegeben, wäre diesem der unentgeltliche Gebrauch des für eine Kleinigkeit verpachteten Gartens, oder noch ein jährlicher Gehalt für die Aufsicht, bewilligt, so hätte dies einen nicht zu berechnenden Vortheil gebracht. Mit wenigen Kosten hätte dann das Schloß (das, außer dem in Erbheuer ausgegebenen, ungefähr 220 Jück des besten Marschlandes, welches größtentheils von den beyden Pächtern auf Alt- und Neu-Marienhausen benutzt wird, um sich her hat) erhalten und verschönert werden können.

Würde das Schloß jetzt abgebrochen, so würde dieses gewiß eine nicht unbedeutende Summe kosten. Wollte man dies Niederreißen ausdingen, so möchte es damit gehen, wie vor 40 bis 50 Jahren bey dem Niedereißen des Ostringfelder Kloster-Thurms. Die Annehmer wurden arm dabey, und es blieb ein hoher Schutthaufen liegen, der doch wenigstens dem Liebhaber von Alterthümern die Stelle kenntlich macht, wo einst dieser Thurm stand, und das Kloster, zu dem er gehörte. Sollte der Abbruch in Tagelohn geschehen, so würden die Materialien die ungeheuern Kosten bey weitem nicht ersetzen. Denn wenn auch die Steine weit besser sind, als die neuen, so erfordert es doch eine sehr lange und mühselige Arbeit, die Steine alter Mauern vom Kalk und Cement zu reinigen, und von 20 Steinen zerbrechen gewöhnlich 19 unter den Händen der Arbeiter. Die übrig bleibenden reichen zum Ausführen eines größern Gebäudes nicht hin; und da die erforderlichen neuen Steine zu den alten nicht passen, so könnten diese nur zum Fundament etc. gebraucht werden.

Es hat sich das Gerücht verbreitet, das Schloß sollte abgebrochen, die Materialien nach Upjever (aus einer der fruchbarsten Gegenden des Landes in eine der unfruchtbarsten) transportirt werden, und davon dort ein neues Schloß wieder erbauet werden, welches zu Maria's Andenken den Namen Marienhausen (also außer Alt- und Neu-Marienhausen noch ein drittes Neuestes in Upjever) wieder erhalten würde. Da die Kosten dieser Versetzung sich sicher mehr als dreymal so hoch belaufen würden, als die Kosten der vollständigsten Reparatur an der Stelle, wo es steht, so ist die Gerücht vermuthlich eine Erdichtung.

Ein anderes Gerücht erweckt die Hoffnung, daß Marienhausen werde reparirt werden. Wenn gleich die Kosten, die dieses erfordern würde, Zweifel gegen dieses Gerücht erregen, so überläßt doch jeder wohlgesinnte Jeveraner sich gern der frohen Hoffnung, das Andenken der letzten Regentin Jeverlands, der guten, ewig unvergeßlichen Maria, durch Wiederherstellung des in den letzten Jahren ihres Lebens *) von ihr errichten ehrwürdigen Denkmaals nach Verlauf von drittehalb Jahrhunderten geehrt zu sehen.

*) In den Jahren 1572. und 1573., also in denselben Jahren, wo sie den Entschluß faßte, den Grafen Johann 16. von Oldenburg zu ihrem Erben einzusetzen, welchen Entschluß sie durch ihr Testament vom 22. Apr. 1573. ausführte.

 

Quelle:
Oldenburgische Blätter, Ausgabe Nr. 32 vom 10.08.1818 (Spalte 499 - 504), Ausgabe Nr. 39 vom 21.09.1818 (Spalte 589 - 596) und Ausgabe Nr. 43 vom 26.10.1818 (Spalte 663 - 680).

Bald nach der Veröffentlichung dieses Beitrages bekomme ich das Buch "Schortens in historischen Bildern" in die Hand. Dort ist auf den Seiten 61 - 65 dieser Bericht über Marienhausen abgedruckt. Es wird als Verfasser Pastor Schween aus Sande angegeben - was ich so aus dem Original-Kopien nicht ersehen kann. Allerdings hat der Bericht die Korrekturen, die Ergänzung und die Fußnote nicht mit übernommen. Auch ist die die Orthographie teilweise angepasst, teilweise belassen:
Schortens in historischen Bildern. Eine Zusammenstellung von Postkarten, Fotos und Zeichnungen bis zum Jahr 1930.
Gesammelt vom Heimatverein Schortens. C.L. Mettcker, 1988

Und noch eine Ergänzung: Über Marienhausen und den Bericht von Pastor Schween berichtet der Historienkalender auf das Jahr 1974 auf Seite 56 - sogar mit Grundriss undf Seitenansichten:

Skizze von Bräuer 1957

 

V. Bleck, November 2018, 2020