Kurvenbegradigung 1959
Schlossmauer an der Albanistraße im Juli 2021
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Jeder, der sich gegenüber dem Gebäude Albanistraße Nr. 3 (ehemals Landessparkasse zu Oldenburg) über die niedrige Schlossmauer beugt, erkennt, dass dort ein Teil der Straßenbreite und der Bürgersteig an dieser Mauer auf Stelzen steht - ein „Teil-Brückenbauwerk". Ich kenne diesen Teil des „überdachten Schlossgraft-Ufers" von verschiedenen Müllbeseitigungsaktionen - Für einige Mitmenschen lässt sich die leere Bonbontüte oder ähnliches schnell über die niedrige Mauer entsorgen.
Auch bietet die Überdachung wohl manchem einen schützenden Ort; eine Matratze lag dort einige Zeit und bot einen idyllischen Ruheplatz.
Wann wurde diese Brücken-Stelzen-Anlage gebaut? Wann wurde sie zuletzt überprüft? Ist sie (noch) verkehrssicher?
Die Stadtverwaltung hat darüber im laufenden Betrieb keine Unterlagen. Ein Stadtarchiv gibt es nicht, und die an das Landesarchiv in Oldenburg abgegebenen Alt-Akten ergeben auch in der heute möglichen Online-Suche keine Ergebnisse. Nach welchen Begriffen soll gesucht werden: Albani, Brückenbauwerk, Straßenverbreiterung, Schlossmauer/Schloßmauer etc.?
Gut, dass es mittlerweile ein digitales Zeitungsarchiv der Nachkriegszeit gibt: Die Nordwest-Zeitung ermöglicht einen Zugang per Internet ins Archiv von der ersten Ausgabe am 01. April 1946 bis heute. Aber auch hier gilt: welchen Suchbegriff nutze ich? Leider funktioniert (nur bei mir?) die dort angegebene „Suchverbesserung" nicht so, wie angekündigt. Also: viele Versuche mit möglichen Stichworten, Eingrenzen der möglichen Bauzeit und hoffen auf „Glückstreffer".
Was man nicht alles so „nebenbei" an interessanten Artikeln, Nachrichten und Bildern findet!
Aber dann verdichten sich die Hinweise auf ein Baudatum kurz vor 1960:
Der Jeverland-Bote vom 17. Februar 1958: „Ein weiterer Schritt zu der geplanten Begradigung der Kurve der Albanistraße zwischen der Kl. Burgstraße und der Prinzenallee ist die Ausschreibung der Stadt für den Abbruch des Wohnhauses Albanistraße 1. Bis zum 20. Februar sollen die Angebote bei der Stadtverwaltung eingereicht werden."
In der Sonnabend-Ausgabe des Jeverland-Boten vom 16. August 1958 wird unter „Mittel für Straßen und Kanalisation" angegeben: „Die Begradigung der Kurve der Albanistraße vor der Landessparkasse wird rund 30 000 DM kosten. Es ist vorgesehen, die Mauer des Schloßgartens auf einer Strecke zurückzusetzen und einen Teil der Schloßgraft zu überbrücken sowie in der Nähe einen Parkplatz zu schaffen. Der Beschluß des Rates bezog sich zunächst auf die Aufnahme eines Darlehens von 15 000 DM." (übrigens wird in dieser Ausgabe der Bau der Mädchenschule in Aussicht gestellt). Am 23. Dezember meldete der Jeverland-Bote: „Straßenbauer noch viel beschäftigt. Vorarbeiten für die Kurvenbegradigung der Albanistraße begannen. Wi Jever. Viele interessierte Zuschauer fanden in den letzten Tagen die Vorarbeiten für die vom Rat der Stadt beschlossene Kurvenbegradigung der Albanistraße. Wie kürzlich berichtet, soll die Schloßgartenmauer vor dem Gebäude der Landessparkasse um mehrere Meter zurückgesetzt und ein Teil des Schloßgraft überbrückt werden, um den jetzt in der Straße vorhandenen Engpaß zu beseitigen und eine zügige Linienführung zu erreichen. Das Vorhaben erfordert erhebliche finanzielle Aufwendung, doch ist die Stadt hieran nicht allein beteiligt, sondern sie erhält von interessierter Seite einen Zuschuß..."
Am 12. März dieses Jahres war der „Aufmacher" nicht zu übersehen:
„Wi Jever. Die Bauarbeiten an der Albanistraße sollen so schnell wie möglich vorangebracht werden. Die Tiefbauer haben die feste Zuversicht, daß ihnen das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht. Damit die notwendige „Bewegungsfreiheit" gesichert ist, ist die Albanistraße seit Dienstag bis auf weiteres gesperrt worden. Die Umleitung ist örtlich gekennzeichnet. Das Durchfahrtsverbot für die St. Annen-Straße vom Kirchplatz aus hat man für die Dauer der Sperrung aufgehoben.
Das Ziel der schwierigen Bauarbeiten ist die Verbreiterung der Albanistraße an dem jetzigen Engpaß vor der Landessparkasse. Da die Schloßgraftböschung unmittelbar an der bisherigen Mauer beginnt, muß eine Überbrückung erfolgen. Sie wird an der weitesten Stelle etwa 4,40 Meter betragen. Nachdem in den vergangenen Wochen elf Betonpfeiler eingerammt worden sind, hat man für die Konstruktion einen Halt gewonnen, auf dem die Betonierungsarbeiten beginnen können. Durch den Einsatz neuzeitlicher Geräte und der Verwendung von Arbeitsmethoden, die für die beauftragte Spezialfirma kein Problem bedeuten, hofft man jetzt zügig voranzukommen, obwohl noch längerer Zeit vergehen wird, bis die verbreiterte Albanistraße voll dem Verkehr übergeben werden kann.
Kraftfahrer benutzen jetzt den Parkplatz Prinzenallee.
Da inzwischen der Parkplatz an der Prinzenallee gegenüber dem Sophienstift in Benutzung genommen werden konnte, können die Kraftfahrer, die in der Albanistraße zu tun haben, dort ihrer Fahrzeuge abstellen, und es ist nur ein verhältnismäßig kurzer Weg zu Fuß notwendig. Nach der Straßenverbreiterung wird dieser neue Parkplatz zwar wohl nicht mehr so stark benutzt werden, doch an „Dauerkundschaft" dürfte es ihm nicht fehlen. Übrigens wurde die Mauer an der Schloßgraft in der Nähe vor einigen Jahrzehnten schon einmal etwas zurückgesetzt. Damals hatte sich der Enpaß gegenüber der Ecke des Hauses von Börges als sehr verkehrshemmend erwiesen. Der Durchgang war nicht viel breiter als ein mit Heu beladenes Fuhrwerk, und Fußgänger gerieten in Gefahr, unter die Räder zu kommen, wenn sie mit einem solchen Fuhrwek an den schmalen Durchgang zusammentrafen. Für die damaligen Verbreiterung brauchten aber nur verhältnismäßig geringe Mittel aufgewendet zu werden. Durch einige gemauerte Pfeiler verschaffte man der Mauer noch am oberen Rand der Graftböschung einen festen Untergrund.
Die Kosten für die jetzige Maßnahme sind demgegenüber erheblich, wenn der Stadt auch die Finanzierung durch die Mithilfe interessierter Anlieger wesentlich erleichtert wird. Der Hauptgrund für den Beschluß des Stadtrats, die Verbreiterung der Straße trotz vieler anderer dringender Verpflichtungen vorrangig auszuführen, war, eine Gefahrenstelle zu beseitigen. Wenn an der schmalsten Stelle der Albanistraße Fahrzeuge hielten und andere, vor allem breite Lastfahrzeuge, die Straße befuhren, gerieten die Fußgänge auf dem an der Schoßgraftmauer entlang führenden Bürgersteig oft in große Gefahr, und man hätte den verantwortlichen Stellen gewiß ernste Vorwürfe nicht erspart, wenn es zu ernsten Unfällen gekommen wäre.
Andererseits kann aber nicht unerwähnt bleiben, daß die Fahrzeugführer sich auf die Gefahren der Albanistraße weitgehend eingestellt hatten und mit Vorsicht die Straße passierten. Selbst an der ganz unübersichtlichen Ecke bei dem inzwischen abgebrochenen früheren Gröschlerschen Haus kam es in den letzten Jahren kaum zu nennenswerten Verkehrsunfällen. Diese Tatsache ist bei den eingehenden Beratungen und Besichtigungen auch berücksichtigt worden. Wenn der Rat der Stadt sich trotzdem entschloß, die durch den Abbruch des Gröschlerschen Hauses und der früheren Gastwirtschaft „Zur Traube" gebotenen Möglichkeiten für eine gründliche Kurvenbegradigung der Albanistraße zu nutzen, so wird man diese Maßnahme zweifellos in den kommenden Jahren noch besser als im Augenblick als einen weitblickenden Beschluß zu würdigen wissen."
Solch ein Bericht führt einen zurück in eine Zeit, wo noch Heuwagen (loses Heu mit Wiesbaum) durch die Stadt fuhren. Aber es wird erkennbar, dass das Parken direkt vor einem Geschäft offensichtlich trotz einer noch geringen PKW-Verkehrsdichte bereits als oberstes Ziel einer autogerechten Stadt in der Stadtplanung verankert war. Siehe dazu das Bild vom 15. Juli 1959 weiter unten: vor dem damaligen LzO-Gebäude...
Ergänzend zu diesem Hauptartikel wurde in der Zeitungsausgabe noch ein „Kasten"
eingefügt: „Woher Albanistraße? Historisches um einen Namen.
W Jever. „Welches er das Albanitor nannte" - mehr weiß man eigentlich nicht darüber, wie es zu dem für Jever ungewöhnlichen Namen „Albanitor" und „Albanistraße" gekommen ist. „Er" war der Fürst Friedrich August von Anhalt-Zerbst. Dieser Fürst hatte, wie der einstige Oberamtmann in Jever, Christian Friedrich Strackerjahn, in seinen „Beiträgen zur Geschichte der Stadt Jever" 1836 schreibt, um 1769 den sogenannten kleinen herrschaftlichen Garten mit Wall und Graben umgeben lassen. Die Verbindung mit der Stadt erfolgte durch die Zudämmung eines Teiles der Prinzengraft. „Da der Fürst die Absicht hatte, nicht allein nach dieser Seite hin die Stadt zu erweitern und eine neue Straße anzulegen, sondern auch den Anbau von Häusern außer derselben zu befördern, ließ er 1786 ein Tor bauen, welches er das „Albanitor" nannte. Dieses Tor sollte nach einem Reskript
vom 24. September 1790 zur freien Passage zu Fuß und mit Wagen dienen, auch vor denselben eine Landstraße angelegt werden. Allein wegen des bald darauf erfolgten Todes des Fürsten ist es dazu nicht gekommen. Es bestand anfangs eine Zugbrücke, die jedoch 1805 weggenommen und durch einen Damm ersetzt wurde, auf dem ein hölzernes Gittertor stand. Auch dieses ist 1815 weggenommen und statt desselben ein Schlagbaum angelegt worden. Ein gewöhnliches öffentliches Stadttor ist dieses Albanitor nie gewesen."
Wie schon erwähnt, findet man bei solch einer Suche viele direkte weitere Anknüpfungspunkte zu interessanten Themen: Die Geschichte der „Zur Traube", der Bau des Gebäudes der Nationalbank, welches später von der LzO übernommen wurde. Aber auch geschichtliche Themen aus dem Blick der damaligen Zeit, wie „Kleiner Herrengarten war eine Befestigung" (NWZ 23.06.1960).
Der wirksamste Suchbegriff im Online-Archiv der Nordwest-Zeitung für das Bauprojekt Albanistraße ist übrigens „Kurvenbegradigung" und die Auswahl „Jeverland-Bote". Aber das habe ich erst herausgefunden, als ich die richtige Ausgabe schon entdeckt hatte.
Nachdem das Baudatum bekannt war, konnte im Archiv des Landkreises dann noch die entsprechende Genehmigungsakte für die Straßenverbreiterung gefunden werden und so wird jetzt, wie angekündigt, das Bauwerk geprüft und ggf. repariert.
Nachfolgend eine kleine Presse-Bilderschau aus der Folgezeit der „Kurvenbegradigung".
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Die Bilddokumente und Text-Wiedergaben stammen aus den Ausgaben des Jeverland-Boten, der Regionalausgabe der Nordwest-Zeitung. Volker Bleck, Juli 2021
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